Es bleibt natürlich unter uns
zurückstellen. — So, jetzt weißt du es!“
„Ja, jetzt weiß ich es. Du bist sehr deutlich. Und was verlangst du jetzt von mir? Soll ich dich um Verzeihung bitten, daß ich dich mit meinen Angelegenheiten belästigt habe?“
„Hehe!“ machte er und zog den Mantel, aus dem sie entschlüpfen wollte, wie einen Sack zu, „du hast da etwas in die falsche Kehle bekommen...So war das nicht gemeint. Aber als du mir heute abend sagtest, du kämest zu diesem Rendezvous, da hatte ich mich innerlich darauf eingerichtet, die Bank hier in Flammen auf gehen zu lassen und aus diesen verdammten Trauerweiden sozusagen Freudenweiden zu machen, jawohl! Aber ich hatte mich nicht darauf eingerichtet und vorbereitet, der gute Onkel Lothar zu sein. Das hat mir einen Knacks versetzt, von dem ich mich nicht so bald erholen werde. Edel sei der Mensch, hilfreich und gut… Verdammt noch einmal, nein,- ich bin mit anderen Absichten mit dir spazierengegangen, keinen edlen Absichten, keinen guten Absichten, na eben mit den üblichen Absichten. Das ist nun vorbei. — Und von nun an kannst du auf mich rechnen, als ob wir als Kinder am gleichen Schnuller gelutscht haben, na also.“ — Er fuhr ihr über den Kopf, kämmte mit den Fingern durch ihr Haar, verwühlte es gründlich und streichelte schließlich ihre Wange. — “Du mußt schon entschuldigen, Jo, immer, wenn ich innerlich sprachlos bin, dann rede ich so viel mit dem Munde…“
„Das habe ich schon gemerkt ...“
„Fein, daß du mich so gut verstehst. Und jetzt wollen wir uns als alte Freunde einmal überlegen, wie das mit dir nun weitergehen soll. Du wirst doch darüber nachgedacht haben...“
„Was bleibt mir anderes übrig als nach München zu fahren und mit ihm zu sprechen? Er kann mich doch nicht einfach sitzenlassen... Und vielleicht wird zwischen uns doch noch alles gut.“
„Hast du daheim niemand, dem du dich anvertrauen könntest?“
„Höchstens meine Großmutter...“
„Da scheint auch wieder ein Aber dabei zu sein...“
„Sie ist genau so eine harte Rechnerin wie mein Vater. — Worüber denkst du nach?“ fragte sie.
„Über deine Pläne. — Du mußt es schließlich am besten wissen, wer Herr van Dorn ist und wie ihr miteinander auskommen werdet...“
Sie strich mit den Fingerspitzen über seinen Arm, tastete nach seiner Hand, umschloß seine Finger und preßte plötzlich ihre Lippen auf seinen Handrücken. Er zog die Hand zurück, als wäre er unversehens von einer Biene gestochen worden.
„Sag einmal, was fällt dir ein!“ rief er böse und peinlich berührt, „ich bin doch keine alte Dame! Nein, wahrhaftig, so etwas ist mir im ganzen Leben noch nicht passiert. Da wird ja ein Stabsarzt rot und verlegen...“
Vom Turm der Georgikirche hallten zwei dünne Schläge über die Stadt und den Fluß.
„Halb zwei! Jetzt wird es aber wirklich Zeit für uns!“
Er nahm ihren Arm und führte sie den Weg zurück, sie hinkte ein wenig, aber es gab sich, je mehr sie sich der Brücke näherten.
„Wann sehe ich dich wieder?“ fragte er.
„Ich werde dich anrufen.“
„Heiratsanzeigen werden in der Annoncenabteilung entgegengenommen.“
„Und trotzdem möchte ich dich noch einmal küssen!“
Die Brückenlampen schimmerten schon durch die Weiden. Er zögerte sekundenlang, aber dann nahm er sie sanft in die Arme und zog sie zu sich empor. Ihre Lippen waren heiß und trocken.
„Geh jetzt, — ich warte hier noch eine Weile...*
Sie löste sich aus seiner Umarmung und ging rasch davon. Die Stadt drängte sich dunkel und stumm an die Uferwand. Die wenigen Laternen schienen die Dunkelheit noch zu vertiefen. Er lauschte dem entschwindenden Klappern ihrer Absätze und zündete sich eine Zigarette an. Die Flamme zitterte in seiner Hand, und in seinem Gesicht, das sie sekundenlang beleuchtete, ehe sie angesogen wurde und erlosch, zuckten die Lippen.
Sie knieten in dem Redaktionsbüro zu dritt auf dem alten Ledersofa, über dem eine riesige Karte des Bezirks Aldenberg hing. In der Mitte der Chef, links von ihm der junge Kerschbaumer und an seiner rechten Seite Lothar Lockner. Die Federn des alten Möbels krachten bedenklich. Fräulein Klühspieß stand mit dem Stenogrammblock hinter den Herren und hatte Gelegenheit, ihre mehr oder minder gerundeten Hinterfronten zu bewundern. Auf der Karte war das Verbreitungsgebiet des ,Aldenberger Anzeigers’ mit roten Fähnchen abgesteckt, auf denen die Abonnentenzahlen vermerkt waren. Das Verbreitungsgebiet des
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