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Es bleibt natürlich unter uns

Es bleibt natürlich unter uns

Titel: Es bleibt natürlich unter uns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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wenn die was erfährt, daß ihr Xaverl mit einem andern Weibsbild im Hotel abgestiegen ist. Die ließ ihn schön übern Besen springen! — In der Hinsicht hat es der Lochbichler einfacher. Dem seine Selma ist auf beiden Augen schwerhörig.“ — Herr Lobmüller zog die sorgfältig gestopfte Pfeife aus der Tasche und setzte sie umständlich in Brand.
    „Ihr mit euren stinkigen Glimmstengeln!“ knurrte er mißbilligend, als Lothar Lockner sich eine Zigarette anzündete, „seit es diese Papierdinger gibt, ist es mit der Welt dauernd bergab gegangen.“ Und damit war er bei seinem Lieblingsthema angekommen, das er mit größtenteils skurrilen, manchmal aber auch verblüffend treffenden Gedanken und Beobachtungen ausspann.
    „Ich weiß nicht, ob Sie recht haben, Herr Lobmüller. Nach meiner Beobachtung überwiegen in Aldenberg die Zigarrenraucher, aber ich muß Ihnen ehrlich gestehen, so viel Stunk und Tratsch und Weibergeschichten und Skandale, wie ich sie hier in vier Monaten erlebte, habe ich vorher in sieben Jahren nicht gehört. Übrigens sind die Helden von heute, die Herren Lochbichler und Krell, Zigarrenraucher..
    „Aha! Ich hör Sie schon gehen“, kicherte der Alte aus Dampfwolken heraus, „Ihnen hat der Wastl wohl gestochen, daß ich in der Noppenwallner-Geschichte auch in den Zeugenstand treten mußte.“
    „Keine Spur! Und außerdem hatte ich nie die Absicht, persönlich zu werden. Es war eine rein akademische Bemerkung, da Sie ja nun mal so heftig auf den Zigarettenrauchern herumreiten. Ich sprach wirklich nur im allgemeinen von der Kleinstadtmoral...“
    „Und Sie finden sie schmierig, wie?“
    „Zum mindesten nicht sauberer als die Moral der Großstadt.“
    „Schmarrn!“ sagte der alte Herr sehr bestimmt; „ich will ja gar nicht behaupten, daß unser Aldenberger Pflaster so sauber und so rein ist wie frisch gefallener Schnee. Aber wenn wir die kleinen Dreckspritzer sehen, dann hegt das an unserm Beruf. Wir erfahren eben alles. Wir sitzen an der Quelle. Da liegt der Hund begraben. Und was interessieren uns schon die tausend und aber tausend kleinen Leute, die täglich brav und bieder ihrem Handwerk und Geschäft nachgehen und sich nie etwas zuschulden kommen lassen. Unsere neuntausend Abonnenten. Von denen hören Sie nichts und sehen Sie nichts, außer daß sie mal ein Inserat aufgeben. Und das leider viel zu wenig. Das kommt mit der Geburtsanzeige in die Zeitung und geht mit der Todesanzeige ab. Und die paar, die sich mausig machen? Wir brauchen doch ein bißchen Salz und Gewürz für die Suppe...“
    „Lochbichlers Suppenwürze zum Beispiel...“, grinste Lothar
    Lockner und bewegte den Mund, als schmecke er eine Soße ab.

    *

    Herr Franz Lochbichler, der tatsächlich eine Gewürzmühle besaß und mit dem Verkauf sauber abgepackter Zehn-Pfennig-Beutel Pfeffer und Kardamon, Majoran und Zimt, Nelken und Kümmel, Anis und Lorbeer, Senfkörner und Muskat wohlhabend, wenn nicht sogar reich geworden war, hatte den eigentlichen Sprung auf der Stufenleiter finanzieller Erfolge erst mit seiner Heirat getan. Die geborene Karchas, die er vor fünfzehn Jahren geehelicht hatte, war die einzige Tochter eines außerordentlich vermögenden Bauunternehmers. Ein Mädchen, das schon leicht überständig war, als Herr Franz Lochbichler sich ihrer erbarmte. Sein Vater hatte ihm prophezeit, daß er eines Tages eine Bardame heimführen werde, denn der junge Mann hatte eine etwas leichtlebige Ader. Mit um so mehr Stolz konnte er seiner Familie die Braut aus gutem und vermögendem Hause präsentieren. Aber sogar sein alter Vater, der als Kolonialwarenhändler angefangen und das Gewürzgeschäft aus ganz kleinen Anfängen aufgebaut hatte, konnte es sich nicht verkneifen, beim Anblick der Schwiegertochter aus zahnlosem Munde zu murmeln: Na. wenn das nur gut geht...!
    Nein, viel Staat war mit der geborenen Karchas nicht zu machen. Selbst die achtzigtausend, die sie bar mitbekam, und die viertel Million, die sie dereinst erben sollte, konnten ihre erschreckend flache Figur, ihr dünnes Haar, ihre schiefe kleine Nase und den völligen Mangel an Witz nicht polstern. In der Brautzeit benahm sich Herr Lochbichler — damals fünfunddreißig Jahre alt, aber älter wirkend, weil er die Kerze immer an beiden Enden in Brand gehalten hatte — ohne Tadel. Er holte sogar seine Violine vom Speicher, auf der er als Knabe bis zu den Übungen für Fortgeschrittene gekommen war und kratzte sich, neben dem Klavier stehend, dem seine

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