Es bleibt natürlich unter uns
Anzeigers ähnelte, hätte man es mit farbiger Tusche ausgefüllt, einer Torte, deren Rand jemand, wie es ihm gerade eingefallen war, angeknabbert hatte; mal mit einem kräftigen Bissen und mal nur mit einem kleinen Happen. Die größeren Einbruchsstellen waren mit andersfarbigen Fähnchen besteckt, blauen, die bedeuteten, daß hier der ,Salfmoninger Bote’ sich am Aldenberger Kuchen gütlich tat, und grünen, die die ,Mehlburger Tagespost’ darstellten.
„Pfähle in meinem Fleisch!“ keuchte Herr Lobmüller und schob den Bauch hoch, den die beim Knien straff gespannte Bundhose nach unten zerrte.
„Und sie stoßen immer weiter herein! Nächstens werden sie noch in Aldenberg eigene Agenturen aufmachen!“ Er schlug mit dem Bleistift auf die Fähnchen in den Kirchdörfern Hart, Nüssen, Eidering, Keßling, Graßmannsdorf und Walchpolding, Einschnitte, in die von Osten besonders die Zunge der „Mehlburger Tagespost’ hineinleckte.
„Ich habe mich mit den Mehlburgem gütlich zu einigen versucht. Sie wollen nicht herausgehen. Gut, da gibt es eben einen Kampf bis aufs Messer! In Eidering ist der Pfarrer von Mehlburg daheim, da lassen wir vorläufig die Pratzen weg. Aber in Keßling und Walchpolding habe ich die Pfarrer und Schullehrer auf unsere Seite gebracht, und den Graßmannsdorfer kriege ich auch noch weich. Und überhaupt, was haben die Mehlburger bei uns zu suchen, wo die ganzen Dörfer zu unserem Landratsamt und zum Aldenberger Gericht gehören!“ — Er stemmte sich von der Sofalehne ab und angelte mit den ein wenig zu kurz geratenen Beinen nach dem Fußboden. — „Der Böhlke hat mit den Schulmeistern wie ein Fürst gesoffen und haushohe Spesen gemacht. Aber der Erfolg? Gleich Null! — Also, Herr Lockner, klemmen Sie sich jetzt mal dahinter und sorgen Sie dafür, daß die Brüder spuren. Wurscht, was sie an Nachrichten bringen. Und wenn die Pfarrersköchin statt dem Hustentee ein Abführmittel eingenommen hat, es kommt in die Zeitung! Wir wollen doch mal sehen, ob wir den Mehlburgern nicht die Beine unterm Hintern wegziehen können, verstanden?“
„Jawoll, Herr Lobmüller!“ sagte Lothar Lockner und nieste heftig, weil ihm die Staubwolke in die Nase gefahren war, die der Chef beim Herunterklettem aus dem alten Sofa herausgedrückt hatte.
„Es soll wahr sein!“ bemerkte der junge Kerschbaumer.
„Sonst noch etwas, Herr Lobmüller?“
„Mir langt’s, wenn Sie den Mehlburgem die sechshundert Abonnenten aus den Zähnen ziehen!“ brummte der Alte und zog das Hemd hoch, das ihm den Kropf einengte. „Haben Sie inzwischen mit dem Maßkrug trainiert? Der Lehrer von Walchpolding kann’s ganz schön…“ Er hob einen imaginären Krug unter Wackelbewegungen der gerundeten Hand an den Mund und ließ ihn zügig in die Kehle rinnen. „Und Skat spielt er auch, und zwar ganz gerissen!“
„Sie verlangen für das Gehalt, das Sie zahlen, eine ganze Menge…“, grinste Lothar Lockner. Er stand sich mit dem Chef gut
und konnte es sich leisten, einen etwas lockeren Verkehrston anzuschlagen.
„Skat gehört zur Allgemeinbildung! Aber ihr jungen Hupfer kommt ja daher, als ob ihr in der Baumschule aufgezogen worden seid. Von höherer Bildung keine Spur. Aber das sage ich Ihnen gleich, junger Freund: wenn Sie vom Kartenspielen nix verstehn, dann lassen Sie die Finger davon. Jedenfalls geht das nicht aufs Spesenkonto, wenn Sie gerupft werden!“
Der Alte wollte gehen, aber Lothar Lockner hielt ihn noch einmal zurück: „Da ist noch die Geschichte mit den beiden Autodiebstählen...“
„Was! Gleich zwei? Ich weiß nur, daß dem Lochbichler der Wagen geklaut worden ist.“
„Die berühmte Duplizität der Ereignisse. Der andere ist der Krell von der Farbenhandlung. Allerdings wurde ihm der Wagen nicht gestohlen, sondern nur ratzeputze ausgeraubt. Vor einem Hotel in Starnberg...“
Herr Lobmüller kniff ein Auge zu und stieß einen Pfiff aus; eine Zahnlücke im Unterkiefer befähigte ihn, mit einer kleinen Spezialtechnik so laut zu pfeifen, als hätte er die Luft durch zwei Finger gestoßen.
„So ist es!“ bemerkte Lothar Lockner, als erteile er der raschen Auffassungsgabe des alten Herrn ein Lob, „Herr Krell war gestern bei mir und druckste herum, daß es ihm lieber wäre, wenn davon nichts in die Zeitung käme. Seine Frau Gemahlin scheint nämlich in Starnberg nicht dabeigewesen zu sein.“
„O mei’„, murmelte der Chef, „dem Krell Xari seine Walburga! Pfüat di Gott, schöne Gegend,
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