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Es bleibt natürlich unter uns

Es bleibt natürlich unter uns

Titel: Es bleibt natürlich unter uns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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schon vor drei Wochen angefangen“, sagte sie, „und ich habe das Attest für Sankt Blasien schon in der Tasche.“
    „Na. also!“ rief er und rieb sich die Hände, „wir werden das Kind schon - entschuldige! Ich meine, wir werden die Sache schon in Ordnung bringen!“
    „Ja, ja“, murmelte sie, „in Ordnung bringen... Das sagt sich so leicht hin. Und dann lebt das arme Wurm irgendwo auf der Welt bei fremden Menschen...“ Ihr traten bei dem Gedanken daran die Tränen in die Augen.
    „Du hast wirklich eine unglückselige Neigung für Tragödien! Noch ist es nicht da und du spinnst um das arme verstoßene Kind schon eine ganz rührende Geschichte. Warte doch ab! Auch da findet sich eines Tages eine Lösung. Da lassen wir nach zwei oder drei Jahren eine Tante von dir mitsamt der ganzen Familie sterben. Und wer bleibt zurück? Der arme kleine Otto. Na siehst du! Und dann nehmen eben aus Herzensgüte und christlicher Nächstenliebe deine Eltern die arme Waise in ihr Haus auf. Und kein Aas merkt etwas davon. Nun?“
    „Wenn man dich hört, ist alles nur noch halb so schlimm...“
    „Erledigte Geschichten sind immer nur halb so schlimm.“
    „Jetzt bin ich wieder ein wenig mutiger...“
    „Das hättest du längst haben können!“
    „Ach, wie oft wollte ich dich anrufen, und wie oft bin ich an der Redaktion und an deiner Wohnung vorübergegangen...! Manchmal sah ich deinen Schatten am Fenster...“
    „Ich habe dir doch gesagt, daß ich immer da sein werde, wenn du mich brauchst. Hast du das für Sprüche gehalten?“
    „Nein…“, sagte sie zögernd, „aber ich fand einfach nicht den Mut, zu dir zu kommen...“
    „Du weißt doch, daß ich für dich vom ersten Augenblick an eine Schwäche hatte. Und ich habe sie noch immer...“
    „Trotz allem?“
    „Was hat das damit zu tun? — Ich habe nie erwartet, daß du dich für mich aufgespart hast. Und ich habe vom ersten Tage an gewußt, daß dir ein anderer Mann nahestand. Und trotzdem habe ich mir gewünscht, dich wiederzusehen...“
    „Weshalb habe ich dich nicht früher kennengelernt?“
    „Vielleicht ist es besser so, wie es gekommen ist. Vielleicht wäre dann ich in die peinliche Situation gekommen, von deinem Vater aus dem Hause gefeuert zu werden.“
    „Ich glaube, ich wäre am Leben verzweifelt, wenn ich dich nicht gehabt hätte...“
    „Unsinn!“ unterbrach er sie, „mach dich nicht kleiner, als du bist. Man verzweifelt nicht, weil man ein Kind bekommt. Wenn ich dir nicht zufällig über den Weg gelaufen wäre, dann wärest du längst bei deiner Mutter gewesen und hättest ihr die ganze Geschichte gebeichtet. Und ich glaube nicht, daß Mütter bei solchen Geständnissen in Ohnmacht fallen. Oder meinst du, daß sie umkippen würde?“
    „Das wohl gerade nicht...“
    „Na also! Weshalb zögerst du dann eigentlich?“
    „Ich weiß nicht, wie du zu deinen Eltern standest...“
    „Nun ja“, hüstelte er, „ich bin ja schließlich auch ein Maskulinum, und da kommt man wohl selten in die Verlegenheit, etwas Kleines zu kriegen. — Aber als ich erst Kopfrechnen lernte, da merkte ich dann eines Tages, daß der kleine Otto von meiner Schwester Gertrud sich mächtig beeilt hatte, um auf die Welt zu kommen. Aber meiner Mutter fehlt trotzdem kein Bein.“
    „Immerhin war deine Schwester verheiratet...“
    „Not...!“ sagte er. „Es war im Krieg. Sie wurde ferngetraut. Das gab es ja damals. Und dann ging sie mit dem Stahlhelm ins Bett. Er lag im Feldlazarett. Flecktyphus. Und drei Wochen später war er tot. Und vier Monate später kam das Kind. — So, jetzt kennst du auch ein Stückchen von der Lockner-Saga...“ Er kramte in seinen Taschen nach Zigaretten: „Sag mal, gibt es hier in diesem ganzen Naturschutzgebiet keine Bank? Ich habe beide Schuhe voller Koksschlacke, und außerdem möchte ich rauchen.“
    „Nein, hier gibt es keine Bänke. Der Stadtrat war dagegen. Und hauptsächlich mein Vater...“
    „Und weswegen?“
    „Wegen der Sittlichkeit..
    „Allerdings“, murmelte er, „wenn es so ist, dann würde ich an deiner Stelle deinem Vater gegenüber die Überraschung, daß er Großvater wird, auch noch ein wenig hinauszögern. — Sag einmal — hm — wann ist es eigentlich so weit?“
    „Der Arzt meint — Anfang Januar...“
    „Dann nennen wir den Otto einfach Christof. Ich melde mich schon jetzt als Taufpate an, und morgen werde ich anfangen, für das Silberbesteck zu sparen. Ich habe von meinem Paten einen silbernen Becher

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