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Es bleibt natürlich unter uns

Es bleibt natürlich unter uns

Titel: Es bleibt natürlich unter uns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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‘nen Schluck Malaga.“
    Lothar Lockner studierte den Vertragsentwurf sorgfältig. Er enthielt die Bedingungen, die Herr Lobmüller ihm soeben genannt hatte. Natürlich steckte ein Haken dahinter. Der Chef zweifelte am Erfolg des Projektes. Er warf Lothar Lockner zwar den fetten Bissen des erhöhten Monatsgehaltes hin, aber er sicherte sich damit gleichzeitig eine sehr billige Arbeitskraft, wenn die ,Hauspostille’ in den ersten Monaten oder Jahren gerade so dahinvegetierte. Bei einer Auflage von zehntausend Exemplaren sprangen für Lothar Lockner genau einhundertfünfzig Mark heraus, ein Trinkgeld, das in keinem Verhältnis zu der zu leistenden Arbeit und zu dem Gewinn stand, den der Alte selbst bei dieser Auflagenhöhe einheimste. Trotzdem zögerte er nicht eine Sekunde.
    „Ich vermisse in diesem Entwurf nur noch den Passus des langfristigen Anstellungsvertrages...“
    „Deshalb habe ich die Klühspieß ja raufkommen lassen. Wenn Sie sonst einverstanden sind, können wir sie ja rufen...“ Er sah Lothar Lockner aus blinden Augen an, denn er hatte den Kneifer wieder einmal abgenommen, um die Gläser blank zu reiben.
    „Ich bin mit dem Vertrag einverstanden...“
    Der Chef rief nach Fräulein Klühspieß, sie kam, schrieb nach dem Diktat des Chefs den zusätzlichen Passus und versuchte, Lothar Lockner heimlich auf die Zehen zu treten, als er sich niedersetzte, um den Drei-Pfennig-Vertrag zu unterschreiben. Aber er tat, als bemerke er ihre Warnungen nicht.

Die Nächte vom Sonntag zum Montag gehörten zu den anstrengendsten des Redaktionsbetriebes. Ab sechs Uhr abends spie der Hellschreiber auf endlosen Schlangen die Berichte über die sportlichen Ereignisse des Sonntags aus. — Wer Sportsleute kennt, weiß, wie sehr sie zu Empfindlichkeit neigen. Man konnte es sich unter Umständen leisten, die Rede eines Politikers ungenau oder gar tendenziös entstellt wiederzugeben; danach krähte kein Hahn.
    Aber ein Lapsus in der Darstellung eines Fußballspiels oder gar eine kritische Stellungnahme zu einer sportlichen Fehlleistung konnte die bedenklichsten Folgen haben. Man durfte froh sein, wenn es noch bei Zuschriften blieb, mochte der Ton dieser zum größten Teil anonym einlaufenden Briefe auch noch so beleidigend und drohend sein. Lebensgefährlich wurde die Geschichte, wenn die Boxstaffel des Hallensportvereins von 1906 geschlossen auf die Redaktion anrückte, oder wenn die komplette Elf der Fußballabteilung vom MTV 1875, klare Mordlust in den Augen, in das Zimmer drang. Dann saß Fräulein Klühspieß mit weißem Gesicht im Nebenzimmer, den Finger am Telefon, um notfalls die Polizei herbeizurufen — und brauchte Herztropfen, wenn es Lothar Lockner gelungen war, die erregten Gemüter zu besänftigen und die jungen Leute zum Abzug zu bewegen.
    Um neun Uhr abends, als die Nachrichten schon spärlicher einsickerten, erhielt Lothar Lockner eine Telegrammdurchsage: PRINZ VON PLESSENBURG IN MÜNCHEN MIT GOLDMEDAILLE AUSGEZEICHNET STOP AUSSTELLUNGSSIEGER EDLER VON ROTTENWEILER FÜR DM 275 ERWORBEN STOP DR WAGENSEIL.
    „Was soll das heißen?“ fragte Lothar Lockner den Chef, der nach dem Genuß eines Wurstsalates einen intensiven Zwiebelgeruch um sich verbreitete.
    Dr. Benjamin Wagenseil, der Direktor des Aldenberger Gymnasiums, erteilte in den oberen Klassen seiner Anstalt lateinischen und griechischen Unterricht. Er war Philologe aus Leidenschaft und hatte einige scharfsinnige Abhandlungen über die Vorsilbe Mi, über den Gebrauch des Aoristes bei Sophokles und über konsonantische Fernwirkungen, Fern-Dissimilation, Fern-Assimilation und Metathesis geschrieben. Kein Mensch in Aldenherg vermochte diesen hohen Gedankenflügen zu folgen, und vor Schulfeiern zitterten alle geladenen Gäste, denn Direktor Wagenseil pflegte seine Reden nur auf griechisch zu halten und verwickelte seine Zuhörer hinterher in die peinlichsten Verhöre. Aber auch dieser hehre Geist, dessen Mund nie ein unedles Wort entfloh und der sich stets auf olympischen Höhen bewegte, brauchte zuweilen eine Entspannung. Als seelische Ausgleichsgymnastik diente ihm ein Steckenpferd: die Zucht von Orpingtons. Er betrieb sie weder der Federn noch der Eier wegen, und aß von seinen Gockeln und Hennen, wenn sie aus Altersgründen geschlachtet werden mußten, nie einen Bissen. Er betrieb die Zucht aus reiner Leidenschaft, und weil er sich im Lauf der Jahre zu einem hervorragenden Züchter und Kenner entwickelt hatte, blieb es nicht aus, daß die bereits in

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