Es bleibt natürlich unter uns
Ihnen mal was sagen, junger Mann: gute Einfälle haben wir alle schon mal gehabt. Bloß am Diridari hat’s gefehlt, um die guten Einfälle auszuschlachten...“
„Eben, Herr Lobmüller! Sie haben die Druckerei, die nicht voll ausgenutzt ist, Sie haben das Personal, das drei Tage in der Woche nicht voll beschäftigt ist, — und Sie haben das Betriebskapital. Ohne Sie hinge die ganze Geschichte in der Luft. Aber wenn wir das Blatt herausbringen, dann hänge ich mich auch hinein, — und wenn dann der Erfolg unseren Erwartungen entspricht, dann möchte ich auch am Erfolg beteiligt sein.“
„Und wenn es eine Pleite wird, Herr Lockner?“ fragte der Alte mit schiefem Gesicht.
„Das ist das Risiko des Unternehmers!“ sagte Lockner kühn und schlug die Beine übereinander. Die beiden Cognacs hatten ihm Mut gemacht. Es berührte ihn nicht, als der alte Herr böse durch die Nase lachte.
„Risiko des Unternehmers...! Sie haben Nerven, junger Mann! Aber legen Sie mal los, wie haben Sie sich Ihre Beteiligung an der ,Hauspostille’ gedacht?“
„Sobald die ‚Hauspostille’ zehntausend feste Bezieher hat, geben Sie mir fünf Pfennige pro Abonnent, und das fortlaufend mit der Auflagenhöhe. Bis zu diesem Zeitpunkt verlange ich nichts als eine Erhöhung meines Monatsgehaltes um hundert Mark für die Arbeit an dem Blatt. Das ist sozusagen meine Einlage...“
„Sonst noch was?“ fragte der Alte; es war ihm nicht anzumerken, ob er es ernst oder ironisch meinte.
„Ja, nämlich einen Vorvertrag. Die Rentabilität der ,Hauspostille’ liegt bei rund fünftausend Exemplaren. Ich hielte es für recht und billig, wenn Sie mir, sobald eine Auflage von achttausend Stück erreicht ist, einen Anstellungsvertrag über zehn Jahre aufsetzen würden.“
War er zu weit gegangen? Plötzlich verließ ihn der Mut. Plötzlich war es ihm, als ob die Spannung einer Feder, die ihn gestrafft hatte, langsam erlahmte. Das Schweigen des alten Herrn schien ihm ebenso unheilverkündend zu sein wie die Rauchwolken, in die Herr Lobmüller sich einhüllte. Wenn es nicht unschicklich gewesen wäre, sich selbst zu bedienen, dann hätte er sich jetzt den dritten Schnaps hinter die Binde gegossen. Der Alte nahm den Kneifer ab, zog aus der grün umsteppten und rot gefütterten Brusttasche des Jankers ein Lederläppchen, das er immer bei sich trug, rieb die Gläser blank und hieb sich den Zwicker wieder auf die Nase.
„Wissen Sie, was der Böhlke bei mir bekommen hat, Lockner?“
„Nein, ich weiß es nicht...“
Der Chef wippte hoch, kam auf die Beine und ging an seinen Schreibtisch, er drückte auf den weißen Hausknopf und drehte die Nummernscheibe des Telefons: „Kommen Sie doch einmal zu mir herauf, Fräulein Klühspieß... jawohl, mit der kleinen Maschine.“ Er legte den Hörer auf und öffnete die Mittelschublade des Schreibtisches. — „Schenken Sie uns inzwischen noch einen ein, Lockner“, brummte er. Dieses Mal zierte sich Lothar Lockner nicht, er goß sogar über den zweiten Strich hinaus ein; der Chef kam an den Tisch zurück. In seiner Hand raschelten ein paar Konzeptblätter.
„Ich habe da einen Vertragsentwurf aufgesetzt. Schauen Sie sich ihn mal in aller Ruhe an. Ich glaube, wir werden Zusammenkommen. Bis auf die fünf Pfennige. Das ist für die ersten zehntausend Exemplare zuviel. Ich mache einen anderen Vorschlag, der das Risiko besser verteilt.“ — Er roch mit seiner dicken Nase in das bauchige Cognacglas hinein und grinste ein wenig: „Rückwirkend ab ersten Juli bekommen Sie für Ihre Redaktionstätigkeit am ,Anzeiger’ und an der ,Hauspostille’ das Gehalt, das ich dem Böhlke gezahlt habe, nämlich fünfhundert monatlich. Sobald die ,Hauspostille’ mit fünftausend Beziehern rentabel wird, zahle ich Ihnen pro Abonnement, das die fünftausend übersteigt, drei Pfennige. Sollte das Blatt einschlagen und eine Auflage von mehr als fünfzehntausend erreichen, dann erhöht sich Ihr Gewinnanteil für die gesamte Auflagenhöhe auf fünf pro Abonnent. Haben Sie das kapiert?“
„Vollkommen, Herr Lobmüller. — Das ist sozusagen der Futtersack, der vorne an der Deichsel hängt, damit das Pferdchen besser zieht, nicht wahr?“
„Jawoll, genau so ist es!“ sagte der Alte schlicht; „Sie haben Zeit, sich die Geschichte zu überlegen.“
Fräulein Elfriede Lobmüller steckte den Kopf zur Tür herein und meldete, daß Fräulein Klühspieß gekommen sei.
„Soll warten!“ entschied der Alte, „gib ihr inzwischen
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