Es bleibt natürlich unter uns
eine geschäftliche Besprechung, die ihre Abteilung betraf. Es war nicht ungewöhnlich, daß er sie rufen ließ, denn wenn sie auch die Kollektionen auswählte, so ging doch der gesamte Einkauf der Firma durch die Hände des Vaters. — Das Klapfenbergsche Haus drängte sich bis auf einen schmalen Hofstreifen, der den Chauffeuren der Lieferwagen stets zu schaffen machte, eng an den Hang. Auch am Tage war es in dem Kontor so dunkel, daß man Licht brennen mußte. Jo sah die Post auf dem Schreibtisch ihres Vaters liegen und entdeckte zuoberst den Briefkopf einer Firma, bei der sie wegen der Lieferung falscher Größen reklamiert hatte.
„Ah“, rief sie und deutete auf das Schreiben, „Hentze & Co...“
Er schob den Brief Stapel zur Seite und schüttelte den Kopf: „Nein, nicht deshalb...“ Er öffnete die Schreibtischschublade, und als sähe sie eine markante Handschrift, so deutlich erkannte sie die Typen der Maschine, die van Dorn für seine Briefe benutzte. Sie wurde sehr blaß.
„Dieser Brief kam heute morgen. Herr van Dorn offeriert sich mir zum zweitenmal als Schwiegersohn...“ Er befeuchtete sich die Lippen und starrte auf den großen schwarzen Siegelring, den er über dem Trauring an der linken Hand trug. „Dieses Mal werde ich Herrn van Dorn nicht abweisen können...“
Jo schloß für einen Moment die Augen, als verschwommen die Wände und Möbel vor ihrem Blick.
„Er hat dir also geschrieben, daß ich...“
„Ja!“ sagte er mit unbewegtem Gesicht und drehte den Ring nach innen, als könne er den schwachen Schimmer seines Spiegelbildes in der glatten Schwärze des Gagal nicht ertragen. Die Schreibtischuhr, das Reklamegeschenk einer Firma für Haushaltartikel, tickte laut. — „Unter diesen Umständen“, begann er und hustete hart, als hätte er stundenlang den Packstaub des Lagers geschluckt, „werde ich Herrn van Dorn schreiben...“
„Nichts!!“ unterbrach sie ihn heftig, „du wirst ihm nicht schreiben, Papa! Denn ich werde ihn nicht heiraten!“
Seine steinerne Ruhe war nicht zu erschüttern, es war, als hätte er sie überhaupt nicht gehört: „... daß du seinen Antrag annimmst. Deine Mitgift beträgt fünfzigtausend Mark. Ich werde versuchen, das Geld innerhalb eines Jahres flüssig zu machen.“
„Hast du nicht gehört, was ich gesagt habe!?“ fuhr sie ihn an, „ich werde diesen Menschen nicht heiraten! Nie im Leben!“
Zum erstenmal, seit sie ihm gegenübersaß, hob er das Gesicht, aber er sah sie nicht an; sein Blick ging an ihrem Ohr vorbei und fixierte sich an einem Wandkalender. Es kostete ihn eine übermenschliche Anstrengung, sein cholerisches Temperament im Zaum zu halten.
„Du willst ein lediges Kind zur Welt bringen?“ fragte er kurzatmig, und eine gefährliche Röte stieg ihm in den Nacken.
„Nicht in Aldenberg!“ antwortete sie.
„Nicht in Aldenberg...“, wiederholte er und bewegte die Lippen, als sei ihm die Zunge eingetrocknet, „als ob das etwas ändert!“
„Ich verstecke mich nicht meinetwegen!“ sagte sie heftig. Es war, als lege sie es darauf an, ihn zu reizen.
„Du scheinst noch stolz darauf zu sein, wie!?“ fauchte er.
„Nein, das gewiß nicht. Aber da es nun einmal geschehen ist, stehe ich es auch durch. Und ich schäme mich nicht! Hörst du, ich schäme mich nicht! Wenn ich das Kind heimlich zur Welt bringe, dann tue ich das euretwegen.“
„Als ob sich in Aldenberg etwas verheimlichen ließe!“ — Er nahm den Brief, zerriß ihn in winzige Fetzen und fegte den kleinen Schnitzelberg mit einem alten Umschlag in den Papierkorb, als wolle er seine Hand nicht noch einmal beschmutzen. „Und was denkst du dir, wie das weitergehen soll?“
„Ich werde, wenn alles vorüber ist, irgendwo eine Stellung Enden. Darum ist mir nicht bang...“
„Dein Gehalt steht dir weiter zur Verfügung — und was du sonst brauchen wirst, ebenfalls...“
„Ich bin vorläufig leider darauf angewiesen“, sagte sie starr. „Soll das im übrigen heißen, daß du mich aus dem Hause wirfst?“
Sein Blick flackerte über den Schreibtisch, als suche er einen Gegenstand, um ihn ihr ins Gesicht zu werfen oder um ihn an der Wand zu zerschmettern. Solche — hinterher heftig bereuten — Ausbrüche verschafften ihm manchmal Erleichterung.
„Verlangst du etwa von mir, daß ich mich darüber freuen soll, wenn meine Tochter einen Bankert in die Welt setzt?!“ knirschte er und ballte die Fäuste.
Sie zuckte zusammen, als hätte sie mitten ins Gesicht einen
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