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Es blieb nur ein rotes Segel

Es blieb nur ein rotes Segel

Titel: Es blieb nur ein rotes Segel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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einen Mann weinte.
    Bald darauf stellte sie ihre Schwangerschaft fest; die Hebamme von Tatschenowo untersuchte sie und sagte freundlich: »Endlich! Darauf haben wir alle gewartet! Was nun? Wen willst du heiraten?«
    Aber davon war keine Rede. Rosalia beschloß, allein nur des Kindes wegen ihr Leben zu ändern und etwas anderes zu werden als eine gräfliche Magd. Sie ließ sich von Väterchen Ifanasy segnen und zog vom Ladogasee durch die Lande nach St. Petersburg.
    Es war fast selbstverständlich, daß sie in dem Viertel von Sennaja Ploschtschad landete, mit den wenigen ersparten Rubeln ein Zimmerchen in einem verschimmelnden Haus mietete und dort, am 27. Mai 1875, nachts um zwanzig vor zwei, auf einem Strohsack eine Tochter gebar.
    Die damals noch lebende Frau des Trödlers Tichon Benjaminowitsch Minajew, eine ständig hustende Lungenkranke, half ihr bei der Geburt. Wer konnte denn eine Hebamme bezahlen oder gar einen Arzt? So etwas machte man unter sich aus, wickelte den Säugling in ein paar Lumpen und hoffte zu Gott, daß er die ersten Monate überlebte.
    Rosalia nannte ihre Tochter Matilda Felixowna.
    Matilda – weil sie einmal von einem durchreisenden Märchenerzähler das Märchen von Matilda und der Elchkuh gehört hatte – ein trauriges Märchen aus der Taiga –, bei dem ein Eisprinz eine Hauptrolle spielte.
    Rosalia hatte damals sehr geweint. Sie hatte das Märchen nie vergessen. Es war eines ihrer großen seelischen Erlebnisse. Lesen und schreiben konnte sie ja nicht, nur hören, sehen und sprechen.
    Felixowna nannte sie ihr Kind, weil es schwarze Haare hatte wie der Landmaschinenvertreter Bondarew mit seiner Rübenköpfmaschine. Für sie war es der Beweis, daß er der Vater war; und wenn sie Matilda lange ansah, blickte sie in die Augen dieses Bondarew.
    Ein hartes Leben war es, das Rosalia in St. Petersburg führen mußte. Ein einziger Kampf in den ersten Jahren, denn die Plätze auf den Märkten waren besetzt, neue Stände duldete man nicht, – wer hier verkaufte, behielt selbst so wenig übrig, daß es gerade zum Überleben reichte. Um sich und ihr Kind vor dem Hungertod zu retten, kehrte Rosalia im Sommer die Wege des Tischwinski-Friedhofes, der am Ausgang des Alexander-Newski-Klosters liegt.
    Hier waren berühmte Persönlichkeiten begraben, aber wie kann man erwarten, daß Rosalia sie kannte? Matilda nahm sie immer mit, auf dem Rücken in ein Tuch gebunden, legte sie zwischen Grabsteinen zum Schlafen nieder oder gab ihr, wenn sie schrie, die Brust. Meistens tat sie das am Grab des Komponisten Glinka, nicht, weil er eine so herrliche Musik geschrieben hatte, die sie ja nicht kannte, sondern weil eine Steinbank in der Nähe stand, auf der man sich ausruhen und bequem stillen konnte.
    Im Winter schabte sie Schnee von den Gehsteigen der großen Prospekte und hieb das Eis mit einem Pickel von der Fahrbahn der Brücken. Es war eine mühsame Arbeit für wenige Kopeken, und Rosalia hatte sie nur bekommen, weil sie einem Vorarbeiter der kaiserlichen Straßenwärter erlaubte, ab und zu an ihrem prallen Busen auszuruhen.
    Im Jahre 1879 starb die Witwe Maruta Diogenowna. Sie besaß einen Gemüsestand auf dem großen überdachten Markt am Heuplatz und hatte die jetzt vierjährige Matilda mit der ganzen Liebe einer alten Frau in ihr Herz geschlossen. Bei Maruta kaufte Rosalia ihre Gurken und Zwiebeln, und wenn es Äpfel gab, legte Maruta einen dicken roten gratis auf die Gurken.
    An einem kalten Morgen fiel die Witwe Maruta plötzlich um, lag neben ihrem Gemüsestand und hatte die Augen verdreht. Man brachte sie in den nächsten Laden – es war der Krämer Pjotjijeff –, legte sie in die Ecke neben den Sack mit Maismehl und benachrichtigte einen gewissen Sulchow, von dem man behauptete, er sei einmal Arzt gewesen, aber eine Geliebte habe ihn zum Alkohol getrieben – und damit in den Ruin. Er hauste jetzt in einer der stinkenden Gassen und wurde gerufen, wenn Hausmittel nicht mehr helfen konnten.
    Bei Maruta Diogenowna war das der Fall. Sulchow stellte einen starken Schlaganfall fest und gab den Rat, sie in Ruhe und friedlich neben dem Maismehlsack sterben zu lassen.
    Aber Maruta lebte noch so lange, daß sie Rosalia rufen lassen konnte. Ihr vererbte sie die Konzession ihres Gemüsestandes und das gesamte Geschäftsinventar. Es bestand aus einem Holztisch, einer Plane, vier Planenstangen, einem kleinen runden Eisenofen mit Rohr, zwei Holzhockern, einer Handkarre mit hohen Speichenrädern und dem wichtigen

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