Es blieb nur ein rotes Segel
Wolfspelz ein und nickte ihr dann zu.
»Warm genug?«
»Herrlich! Wie auf einem Ofen.«
Matilda legte den Kopf in den Nacken und blickte in den wolkenlosen tiefblauen Himmel. Solche Wintersonnentage waren selten. Meistens zog es trüb vom Meer herüber, und Wasser und Himmel verschmolzen zu einem dichten Grau.
»Meine fünfte Troika fuhr ich mit sechzehn Jahren«, fuhr Matilda unaufgefordert in ihrem Bericht fort. »Tamara Jegorowna nahm mich mit zu einer Freundin, einer Sängerin. Sie hat ein Landhaus draußen in Sluzk, am Ufer der Slawanka, in der Nähe des Schlosses von Pawlowsk.« Sie lachte glucksend. »Wir sind nie hingekommen, Boris! Vier Werst außerhalb Petersburgs kippte die Troika um, weil der Kutscher völlig betrunken war. Ein Pferd brach sich dabei ein Bein. Ein Gendarm mußte es später erschießen. Wir waren so erfroren, daß uns ein anderer Schlitten sofort wieder in die Stadt zurückbrachte. Tamara goß für uns einen Tee mit Rum auf … Das war das erstemal, daß ich betrunken war. Mama hatte mir nie Alkohol gegeben. Sie sagte nur immer: ›Es genügt, wenn ich saufe. Fang das nie an, Töchterchen! Man kann der Wahrheit nicht davonlaufen …‹ Was wird wohl jetzt, bei meiner sechsten Troika, passieren?«
»Wir fahren hinüber zur Steininsel. Dort gibt es ein Restaurant mit einem Wirt, der bestimmt der dickste Mensch der Welt ist, Wasja Kyrillowitsch Tschuptikow. Man sagt, er sei aber auch der beste Koch der Welt. In einem Wasserbassin hält er lebende Hummer von der französischen Atlantikküste. Für ein paar Rubel kann man bei ihm essen wie am Zarenhof! Aber er läßt nicht jeden in sein Lokal. Man klopft an seine Tür, er beäugt einen durch die Klappe, und wer ihm nicht paßt, dem schlägt er die Klappe vor der Nase zu. Man müßte ihn schon mit Waffengewalt stürmen …«
»Und wir kommen hinein?«
»Ich kenne ihn gut.«
»Und wir essen Hummer?«
»Frisch gekocht mit einer Sauce aus Sahne und Petersilie!«
»Ich habe noch nie Hummer gegessen, Boris. Sie werden sich mit mir blamieren. Ich warne Sie!«
»Tschuptikow wird Ihnen zu Füßen liegen, Matilda!« Boris legte den Arm um ihren Hals. Wie ein glückliches Liebespaar sahen sie für jeden aus, der an der Troika vorbeiging. »Sollen wir fahren?«
»Nur weil ich neugierig bin, wie Hummer schmeckt!« sagte sie. »Und weil ich aus der Troika und den Fellen nicht wieder hinaus will.«
»Dann los!« Boris Davidowitsch stieß einen Pfiff aus. Der Kutscher straffte sich, ließ die Leinen schnellen und schrie heiser:
»Dawai! Ihr Gäulchen, dawai! Wollt ihr wohl laufen? Schüttelt das Eis aus euren Knöchelchen! Dawai! Wer wird denn so lahm sein? Soll ich die Peitsche holen? Nun aber zu, aber zu!«
Die Glöckchen bimmelten, der Schnee stob unter den Kufen fort. Die Köpfe warfen sie hoch, die Pferdchen, die Mähnen flatterten, die Beine stießen in die verharschte Straße, und mit Schwung ging es durch Petersburg, über die Trutzkoibrücke hinüber nach Petrogradski und durch weite Schneefelder und über den Karpowkakanal und die Kleine Njewka auf die Steininsel.
Diesmal kamen sie an, der Kutscher war nicht betrunken, die Troika kippte nicht um, – es war eine herrliche Fahrt durch Sonne und blinkenden Schnee. Er leuchtete so stark, daß Matilda oft die Hände kurz über die Augen legte, um nicht geblendet zu werden. Dazu spürte sie Boris' Arm um ihre Schulter und kam sich fast so glücklich vor, als wenn die Jegorowna sagte: »Das hast du gut gemacht, Matilduschka!«
Sie sprachen während der Fahrt kaum miteinander. Ab und zu sahen sie sich an, ihre Augen lachten sich zu, aber Worte gab es wenige. Wenn man richtig glücklich ist, braucht man keine Sprache mehr. Dann lauscht man nach innen, und da ist alles voller Klang, voller Musik, voller nie gehörter Töne … Man legt sich in diesen Strom und läßt sich treiben in das Neuland der Seligkeit.
Wie erwartet war das Lokal von Tschuptikow geschlossen. Es sah von außen wie ein altes, verfallendes Bauernhaus aus, mit tief heruntergezogenem Dach wegen der Stürme von See her, mit geschnitzten und bemalten Fensterläden und einer dicken Bohlentür, die so schnell niemand aufbrach.
Während die Troika um das Haus herum in einen offenen Unterstand fuhr, klopfte Boris Davidowitsch mit der Faust gegen das Tor.
Er hatte Matilda von den Felldecken befreit und sie bis unter das Dach getragen. Dort hatte er sie vorsichtig abgesetzt, aber dieses kleine Stück des Weges war ihm vorgekommen
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