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Es blieb nur ein rotes Segel

Es blieb nur ein rotes Segel

Titel: Es blieb nur ein rotes Segel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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gehen, Boris. Bitte, bitte!« Matildas Stimme war zu einem Flüstern geworden. »Ich habe es geahnt. Jede Troika bringt mir Unglück …«
    »Nicht die, in der wir sitzen!« Boris erhob sich; Matildas Augen verrieten ihre wahnsinnige Angst. Sie hob flehend die Hände, aber Boris von Soerenberg schüttelte nur stumm den Kopf und sagte dann: »Ich will ihn nur begrüßen. Ich kann nicht glauben, daß er es war.«
    Fürst Kramskoj war in bester Laune, als Boris an seinen Tisch trat. Er hatte eine neue Geliebte bei sich, eine Näherin aus der Vorstadt, ein süßes Mädchen mit langen blonden Haaren und einer Stupsnase.
    Der andere Herr war Graf Sabarini, ein Italiener, der seit drei Jahren in St. Petersburg lebte und römische Altertümer an den russischen Adel vermittelte. Kramskoj breitete die Arme aus, als er Boris von Soerenberg sah und rief sofort:
    »Boris Davidowitsch! Mein guter Freund! Natürlich sind Sie auch hier.« Er blinzelte in die Ecke hinüber und beugte sich vor. »Nicht übel, nicht übel! Ein Elfchen, nicht wahr? Gratuliere! Mit Hummer und Wein führt man sie heim … Haha!«
    »Ich möchte Sie sprechen, Valentin Wladimirowitsch.«
    »Sofort?«
    »Ja!«
    »Und so ernst?«
    »Es ist ernst.«
    »Soll jemand gefressen werden?« Kramskoj erhob sich und zog seinen Anzug gerade. »Schießen Sie los, mein Freund.«
    »Nicht hier, wenn es Ihnen recht ist. Draußen.«
    »Im Frost? Boris …«
    »Es geht schnell.«
    »Bitte.«
    Sie gingen hinaus in die Scheune, wo sich Tschuptikow gewogen hatte. Kramskoj schlug die Arme um den Körper; es war wirklich höllisch kalt.
    »Was ist nun, Boris Davidowitsch? Seien Sie kein Sadist und verkühlen Sie mich nicht so, daß mein kleines Mädchen nachher verzweifelt, weil ich völlig erfroren bin. Was ist denn nur los?«
    »Haben Sie versucht, vor etwa fünf Jahren mit Ihrer Troika ein vierzehnjähriges Mädchen zu überfahren, weil es Ihnen nicht zu Willen war?«
    Fürst Kramskoj starrte Boris an, zuerst ungläubig, dann merklich spöttischer. Schließlich grinste er breit. »Sie sind ein Witzbold, Soerenberg! Oder betrunken?«
    »Waren Sie dieses Schwein, Valentin Wladimirowitsch?«
    Fürst Kramskoj erstarrte. »Sind Sie verrückt?« fragte er heiser. »Wenn ich Sie ernstnehmen würde –, wissen Sie, was das bedeutet?«
    Boris wiederholte: »Sie sind ein Schwein!« und holte blitzschnell aus, um seine Hand dem Fürsten Kramskoj ins Gesicht zu schlagen. Der taumelte, verlor das Gleichgewicht und fiel seitlich auf einen Holzstapel.
    »Sie Irrer!« stammelte Kramskoj, stemmte sich hoch und schwankte etwas. »Sie versoffener Hund!«
    »Ich schicke Ihnen morgen meine Sekundanten!« sagte Boris kalt und rieb sich die Hände. »Schwere Säbel! Wenn Sie kneifen … Ich finde Sie überall, Valentin Wladimirowitsch! Vor mir rettet Sie niemand mehr – auch nicht der Zarewitsch!«
    Sie standen sich nun einen Augenblick stumm gegenüber, abwartend und unschlüssig, ob sie nicht jetzt schon aufeinander losstürzen sollten. Ob sie sich mit den bloßen Händen würgen oder mit einem Holzknüppel erschlagen sollten. Zwei Meter seitlich von Kramskoj entfernt, stak ein Beil in einem dicken Hackklotz.
    Der Fürst schielte dorthin, noch immer etwas unsicher auf den Beinen, mit der einen Hand seine Haare aus der Stirn streichend, die andere, zur Faust geballt, gegen die Brust gepreßt.
    Boris von Soerenberg verstand diesen lauernden Blick und schüttelte den Kopf.
    »Sie erreichen das Beil nicht, Valentin Wladimirowitsch. Außerdem möchte ich nicht, daß unsere Aussprache jetzt und in aller Öffentlichkeit stattfindet. Ihr kleines Mädchen wartet. Ich gönne Ihnen noch ein paar intime Stunden – einen Abschied vom Leben sozusagen, der zu Ihnen paßt! Sollen wir uns im Wald der Jelagininsel treffen, oder schlagen Sie einen anderen Platz vor?«
    »Das Palais Jussupow.« Der Fürst sah Boris mit haßsprühenden Augen an. »Ich werde sofort zu ihm fahren.«
    »Akzeptiert. Fürst Jussupow wäre dazu bereit?«
    »Er ist mein Freund!«
    »Er würde zusehen, wenn ich Sie in Stücke schlage?«
    »Felix wird für ein anständiges Begräbnis Ihres Leichnams sorgen.« Kramskojs Hochmut erwachte von neuem. »Oder besitzt Ihre Familie so viel Mittel, Sie nach Kurland zu überführen? Sie einfach in die Moika werfen, widerstrebt ihr sicherlich.«
    »Wo trifft mein Sekundant Sie an?«
    »Wo denn?« Kramskoj lachte kurz und hart. »Im Anitschkowpalais, in der Nähe des Zarewitsch. Befürchten Sie nicht, in

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