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Es blieb nur ein rotes Segel

Es blieb nur ein rotes Segel

Titel: Es blieb nur ein rotes Segel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Rosalia Antonowna, kaufen Sie die Verpackung oder den Inhalt?«
    »Welche Frage!«
    »Ich mache mir nichts aus Luxus! Ich bewohne ein Haus mit neununddreißig Räumen und einem großen Park! Im kleinsten Zimmer wohne ich! Die anderen stehen leer oder werden von meinen Tieren benutzt. Ja, und drei Tierpfleger habe ich, eine Köchin, einen Gärtner und einen Hausdiener, der einmal Ringer war. Dann wurde er ein großer Baßbariton, sang Verdi und Wagner, bis er dem Liebhaber seiner Frau die Knochen brach und wieder Ringer wurde. Da nahm ich ihn zu mir als Diener … So seltsam spielt manchmal das Leben!«
    Nach zehn Minuten hatte man sich genug berochen. Rosalia Antonowna kochte Tee und brachte ihren berühmten Honigkuchen.
    Aronow aß – man muß schon sagen, fraß – sieben Stück und sagte hinterher: »Bei Ihnen kann ich den Husten fast vergessen!«
    Wer Aronow kannte, der wußte: Das war das höchste Kompliment, das er zu vergeben hatte.
    Nach dem Tee erzählte er von seiner Tätigkeit, von seinem Glück, nun auch Matilda Felixowna managen zu können …
    Rosalia Antonowna kannte dieses Wort nicht und stellte sich eine unsittliche Sache darunter vor, bis Aronow ihr erklärte, es sei englisch und durchaus nichts Schweinisches.
    Ja, und dann berichtete er, daß die Königliche Oper in Stockholm auf Matilda warte, später kämen London und Rom, Mailand und Berlin – und als Krönung natürlich die Große Oper von Paris. Die Welt stehe dem Töchterchen offen …
    Aronow war ein vorsichtiger, weitblickender Mann. Ganz beiläufig fragte er zwischendurch: »Werden Sie überall mitkommen, Rosalia Antonowna?«
    »Nein!« antwortete die Bondarewa fest. »Was soll ich da? Ich bin eine Russin, ich gehöre nach Rußland! Ich bleibe hier!«
    »Das ist eine äußerst kluge Entscheidung!« lobte Aronow beruhigt und von inneren Qualen erlöst. »Ein unruhiges Leben wird es werden. Aber Boris Davidowitsch kommt doch mit?«
    »Wenn der Zar ihn aus dem Dienst entläßt …«
    Zwei Stunden später kam Matilda von den täglichen Proben zurück. Soerenberg war bei ihr. Er trug noch die Uniform der Garde-Husaren; Nikolai Alexandrowitsch hatte sich geweigert, die Bitte um Entlassung zu lesen.
    Auch Matilda war zunächst vom Anblick Aronows überrascht, aber wer sich an den Zwerg Mustin gewöhnt hat, den kann ein Aronow nicht mehr erschrecken. Chamitja Maximowitsch legte den Vertrag der Königlichen Oper Stockholm vor und einen zweiten Vertrag, der Matilda an den Impresario Aronow band. Als Honorar verlangte er 10% aller Einnahmen.
    »Das ist gering!« scherzte Aronow. »Meine anderen Sklaven zahlen mehr! Aber warum bei Ihnen, Königin des Tanzes, mehr nehmen? Wohin mit dem verfluchten Geld? Soll ich mir das Bett mit Rubelscheinen polstern lassen? Soll ich mir die Wände mit Gemälden behängen? Ich habe keine Erben! Was fangen meine Hunde und Vögel mit einem echten Renoir an? Oder mit einem Rembrandt? Das Geld …« Er winkte ab. »Ich bin glücklich, wenn ich sehe, welchen Glanz ich in die Opernhäuser bringe! Bei jeder Premiere bin ich anwesend! Hinter der Bühne! In den Zuschauerraum läßt man mich nicht rein, ich habe noch nie einen Frack besessen! Ohne Frack aber ist man für die Türschließer eine Null!«
    Aronow blieb bis nach Mitternacht, aß Rosalia Antonownas Fleischpiroggen und kandierte Erdbeeren mit Sauerrahm, trank Krimwein und erzählte eine schmutzige Geschichte nach der anderen. So von dem berühmten Tenor Bogumil Zacek, einem Tschechen, den er an die Wiener Hofoper vermittelt hatte. Dieser Zacek sang einmal den Tristan; und als er im zweiten Akt zu dem wohl schönsten Liebesduett der gesamten Opernliteratur ›Sink hernieder, Nacht der Liebe …‹ ansetzte, da passierte ihm etwas Menschliches. Er hatte schon vorher so ein Grollen im Magen verspürt …
    Die Sängerin der Isolde, eine berühmte Schwedin, fiel fast in Ohnmacht, sie mußte krampfhaft schlucken, so bestialisch roch es, aber – Oper ist Oper – sie stand es tapfer durch. Hinter der Bühne dann, als der Vorhang gefallen war, gab sie Zacek zwei schallende Ohrfeigen! Dem wackelte daraufhin ein Vorderzahn, aber das fiel bei der Leidenschaft der Partitur im dritten Akt nicht weiter auf …
    Rosalia Antonowna lachte, bis ihr die Tränen kamen. Sie nannte Aronow ein ›Erzvieh‹; dann brachten sie ihn gemeinsam zur Kutsche und ließen ihn nach Hause fahren.
    »Das ist ein guter Mensch«, sagte die Bondarewa hinterher und klatschte vergnügt in die Hände.

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