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Es blieb nur ein rotes Segel

Es blieb nur ein rotes Segel

Titel: Es blieb nur ein rotes Segel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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»Er scheut sich nicht, menschliche Wahrheiten zu erzählen!«
    »Schon in vier Tagen fahren wir ab!« sagte Boris Davidowitsch in Matildas Salon. Sie saßen noch zusammen und tranken ein Glas Portwein aus kleinen geschliffenen Kristallgläsern. »Das Dampfschiff wartet draußen, weil man nie weiß, ob der Hafen bald vereist. Wir werden mit einem Segelboot zu ihm gebracht. Es fährt vom Hafen der Alten Galeeren ab.«
    »Bist du bis dahin entlassen, Borja?« fragte sie ängstlich. Sie war jetzt wieder wie ein kleines hilfloses Mädchen. »Allein fahre ich nicht …«
    »Wenn Nikolai mich nicht entläßt, flüchte ich! Ich komme auf jeden Fall mit!«
    »Du willst desertieren? Darauf steht der Tod!«
    »Außerhalb Rußlands bin ich sicher. Ich darf nur nie mehr nach Rußland zurück.«
    »Und das kannst du aushalten, Borja? Nie mehr Rußland …«
    »Ich habe dich, Matilda! Du bist dann für mich die Heimat!«
    »Ich werde dir das niemals danken können, Borja. Das muß ich immer wieder sagen.«
    »Es genügt, wenn ich an deiner Seite bin.« Er lächelte schwach. »Einmal vernarbt die ›Wunde Zarewitsch‹ … dann wird Platz sein für mich in deinem Herzen.«
    Es gab für diese Liebe keine Worte mehr … Matilda spürte es zutiefst und schwieg deshalb.
    Sie tastete nach Soerenbergs Hand und drückte sie fest.
    Zar Nikolaus II., noch nicht gekrönt, aber bereits schon so genannt, sprach einen Tag vor Matildas Abreise die Entlassung aus der Armee für Boris Davidowitsch von Soerenberg aus.
    Er empfing ihn im Anitschkowpalast, im Arbeitszimmer seines Vaters Alexander III., das man nicht verändert hatte. Er war allein … alle mußten draußen bleiben, als Soerenberg eintrat.
    Nikolai war voller Melancholie … er sah Boris mit einem wehmütigen Blick an, drehte sich dann zum Fenster und blickte hinaus in den Park. Seine schlanke Gestalt wirkte im Gegenlicht wie zerbrechlich, durchsichtig. Ein Mann, der eine halbe Welt regieren sollte …
    »Ich entlasse dich nur, weil du Matilda begleitest«, sagte der Zar endlich. »Nur deshalb! Sonst wärest du in eine andere Garnison versetzt worden. Nach Tschita in Sibirien. Kommandant eines Sträflingslagers!«
    »Ich wäre desertiert und geflüchtet, kaiserlicher Herr.«
    »Das sagst du mir?«
    »Wir sind allein. Ich habe den Mut dazu … weil ich weiß, daß Sie mich verstehen.«
    »Was verstehe ich, Borja?«
    »Daß eine Frau wie Matilda jedes Opfer wert ist.«
    »Ist sie das wirklich?«
    »Ich kenne jemanden, der für sie eine Krone geben wollte …«
    Schweigen.
    Dann sagte der Zar kaum hörbar: »Wann fahrt ihr?«
    »Morgen, gegen Mittag. Eine Fahrrinne bis zum Dampfschiff ist noch frei vom Hafen der Alten Galeeren. Am Ende der Woche wird das Eis geschlossen sein. Wir möchten nicht den Landweg nehmen, – er ist zu beschwerlich.«
    »Ich gebe euch einen Sonderzug!«
    »Über See ist es einfacher.«
    »Ich will Matilda noch einmal sprechen!«
    »Warum? Wunden, die man dauernd aufreißt, heilen nie!«
    »Du willst deinen Zaren belehren?«
    »Nein. Ich will … einem Freund nützen. Und ich will Matilda eine Qual ersparen. Sie ist nach der Begegnung auf der Chaussee bewundernswert gefaßt. Sie freut sich auf Stockholm. Majestät, bitte … lassen Sie uns morgen über See ausreisen.«
    Nikolaus II. nickte stumm. Er hatte den Rücken noch immer zu Soerenberg gewandt und starrte aus dem Fenster.
    »Habt ihr Geld?« fragte er plötzlich.
    »Matilda hat ihre Gagen, Stockholm stellt ihr eine Villa zur Verfügung, ich habe den Erlös aus meinem Gut.«
    »Das reicht? Ich lasse dem Schatzmeister eine Anweisung zugehen!«
    »Wir brauchen kein Geld, Majestät.«
    »Für den Notfall. Du kannst jede Summe abrufen, Borja.« Der Zar drehte sich um. Seine traurigen Augen waren glanzlos. »Ich habe immer geglaubt, daß wir uns nie trennen werden, Boris Davidowitsch. Nur der Tod wäre ein Abschied gewesen. Ich habe dich als General gesehen, immer an meiner Seite. Mein Generaladjutant! Wir wären zur Jagd geritten, hätten uns die Welt angesehen, hätten in stillen Stunden musiziert oder Schach gespielt. Du hättest geholfen. Alix' und meine Kinder großzuziehen. Das wärest du Rußland schuldig gewesen! Aber jetzt ziehst du Zivil an und reist von Opernhaus zu Opernhaus! Ist das ein Leben? Für einen Soldaten?«
    »Ja … an Matildas Seite!«
    »Ich bin geschlagen.« Nikolaus II. hob die Schultern. »Gott sei mit dir, Borja! Der Himmel segne euch beide!«
    Er wandte sich ab und ging wieder zum

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