Es darf auch mal Champagner sein
entgegenrufen: ›Nimm mich, nimm mich.‹ Der Band S war in beschränkter Auflage da, deswegen musste ich sofort zugreifen. Alle wichtigen Wörter sind unter S.«
»Nun mal langsam«, sagte mein Mann. »So wichtig ist das S nun auch nicht.«
»Nicht so wichtig? Willst du, dass die Kinder durchs Leben gehen, ohne etwas von der Bedeutung von Sex, Sabbat, Satire, Skrupel und Status zu wissen? Ganz zu schweigen von S-chlussverkauf?«
»Du fällst aber auch auf jeden Reklametrick herein, dem du irgendwo begegnest.«
Er hatte gut reden. Männer kamen nie so unter Druck durch die Werbung wie Frauen. Ich sah es beim Fernsehen. Da saßen alle Männer nur herum, genossen, was geboten wurde, aßen irgendwelche Getreidepräparate, um ein Sport-As zu werden. Wenn sie mit ihrem Bankberater redeten, hörten alle zu. Sogar die Etiketten in ihren Shorts waren lustig und tanzten. Zugegeben, sie fuhren auch manchmal im Wagen eine steile Bergstraße hinauf, klatschten sich Rasierwasser ins Gesicht oder liefen in einen Hafen ein, doch im Großen und Ganzen waren es die Frauen, auf denen die Verantwortung für die ganze Familie lastete.
Und jeder fand es selbstverständlich.
Falls die Werbeeinschaltungen dazu dienten, mich selbstzufriedener zu machen, hatten sie kläglich versagt. In meinen Händen verwandelten sich die stabilen Papierhandtücher in Filterpapier. Meine Hustenmedizin war früh um 2 Uhr aufgebraucht. Meine Mülltüten platzten, wenn sie mit Müll in Berührung kamen.
Sonderbar, dass mir das früher nie so aufgefallen war: Ich war verantwortlich dafür, dass ein Shampoo meinem Mann auch tatsächlich gegen Haarausfall schützte. Dafür, dass meine Kinder ein gut ausgewogenes Frühstück bekamen. Ich war schuld, wenn das Fell meines Hundes nicht vorschriftsmäßig glänzte, und ich war es, die genau die richtige Menge Zitronen in alles spritzen musste, damit es den Meinen nicht den Mund zusammenzog. Gab es im Liebesleben meiner Tochter eine Panne, so war es meine Aufgabe, sie daran zu mahnen, dass strahlend weiße Zähne ihn zurückgewinnen würden. Als ich eben über das Ausmaß meiner Verantwortung grübelte, kam im Fernsehen die Werbeeinschaltung: Ein Mann kommt nach zwölfstündigem Arbeitstag zerschlagen, deprimiert und müde nach Hause, öffnet die Tür, und 75 Personen springen auf und brüllen »Happy birthday«. Der Mann umfasst seine Frau, küsst sie und sagt: »Liebling, was für eine nette Überraschung!«
Sie weicht vor ihm zurück wie vor dem Kadaver eines vor drei Tagen krepierten Hundes und sagt: »Oh, oh, Mundgeruch. Dagegen müssen wir etwas tun. Sofort.«
Man möchte meinen, dass dies dem rauschenden Fest einen gehörigen Dämpfer aufsetzt. Stattdessen sehen wir die beiden im Badezimmer, wo er so lange heftig gurgelt, bis der Mundgeruch nachlässt. In der letzten Szene herrscht ungetrübte Fröhlichkeit. Er darf endlich bei der eigenen Party mitmachen und sie strahlt in dem Bewusstsein, ihren Mann wieder einmal vor sich selbst beschützt zu haben.
Wieso kommt dieser Blödmann nicht selber drauf, dass er einen Atem hat wie ein Kamel? Muss denn die Frau alles machen? Da unterbrach mich mein Mann, der mit einem Sporthemd in der Hand aus dem Schlafzimmer kam. »Liebling«, sagte er und grinste gutmütig, »ich sag das nicht gern, aber mein Kragen hat einen Schmutzrand.«
Ich blickte auf und keifte: »Wie sich das trifft. Dann passt er genau zu deinem Hals.«
Ich weiß nicht, warum ich damit herausplatzte, wahrscheinlich ärgerte mich, für das Wohl aller verantwortlich zu sein.
Wie naiv ich doch gewesen war! Ich hätte es gleich merken sollen an dem Abend, an dem ich duschte, mir Parfüm in beide Kniekehlen tupfte und dann meinen Mann im Dunkeln schnarchen hörte. (Der Fall war in der Geschichte der Kosmetikwerbung nicht vorgesehen.)
Ich verschaffte mir »Kaufangst«, um darin nachzulesen, wie wir sonst noch ausgebeutet wurden. Gelinde gesagt - es war eine Offenbarung! Das Einkaufen, hieß es da, sei einer der am wenigsten bekannten Wissenschaftszweige. Fachleute wissen, dass es sehr anstrengend ist, äußerste Konzentration und blitzschnelle Entscheidungen erfordert.
Seit Jahren versuchen Forscher dahinter zu kommen, wann Frauen so einkaufen, wie sie es tun. Dabei haben sie herausgefunden, dass sich bei Frauen, die einen Supermarkt betreten, in dem Augenblick etwas verändert, in dem sich ihre Hände um den Griff eines Einkaufswagens krümmen.
Ihre Blinzelfrequenz verringert sich auf
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