Es duftet nach Liebe (German Edition)
Angetrauten aufrichtig, wie er mich wohl nie geliebt hat. Mein Cedric ist gestorben, als man ihn verschleppt und ihm Gewalt angetan hat, die unaussprechlich ist. Die Erinnerung daran würgt mich noch immer. Ich habe ihn nicht gerettet, stattdessen war ich sein Spießgeselle auf dem Pfad, der beinahe in seinem Tod gemündet hat, als die, die wir gemeinsam gedemütigt haben, ihn die Rechnung haben zahlen lassen. Kein Wunder, dass er mich danach nicht mehr ertragen konnte. Ich konnte es selbst kaum.
Die Zeit verrinnt, und Cedric lebt. Ich auch. Zumindest behauptet das mein Körper. Ich spüre das Leder der Lehne unter meinen Fingerspitzen, schmecke den schalen Dunst aus der Klimaanlage, fühle ein flaues Gefühl im Magen, als das Flugzeug zu sinken beginnt. Ich bin auch noch da, irgendwie.
Als ich die Gangway hinabsteige, schlägt mir warme Luft ins Gesicht. Bereits auf der Landebahn atme ich den Duft der üppig wachsenden Vegetation, kräftig, wild, vorwärtsdrängend und unendlich farbenfroh.
Das heiße Klima tut mir gut, Hitze macht träge und lähmt die Gedanken. Urlaub, ich mache Urlaub, den habe ich dringend nötig. Mein Job macht mir Spaß, ich fühle mich nicht überlastet, schließlich gibt es sonst kaum etwas Anderes in meinem Leben. Arbeitsstress ist ja auch nicht der Grund meines Hierseins. Ich bin nicht der Typ für Freunde. Bekannte habe ich zahllose, auf die kann ich indes notfalls allesamt auch verzichten.
Ich liebe meine Eltern und meine Schwester, doch unser Verhältnis war immer von den distanzierten Gepflogenheiten unserer Gesellschaftsschicht geprägt. Die Erwartungen waren groß, Erzieher und Schulen immer erstklassig, um die unangenehmen Teile der Kinderbetreuung haben sich stetig wechselnde Au Pair-Mädchen gekümmert. So bin ich aufgewachsen.
Ich bin einsam, ich weiß, das schätze ich jedoch normalerweise durchaus. Leider hat es mich auch blind gemacht, als es um etwas Anderes gegangen ist, das ist mir inzwischen mehr als bewusst. Verbohrtes Denken und eingeschränkte Sicht lässt einen alle anderen Sinne vergessen. Tasten. Schmecken. Hören. Riechen. Ich weiß nicht, ob ich sie überhaupt noch habe oder imstande bin, sie zu begreifen.
Ein Taxi fährt direkt auf dem Landeplatz vor. Der Fahrer lädt mein Gepäck ein, ich klettere auf die Rückbank. Er kennt die Adresse. Draußen ziehen gerade, von Palmen gesäumte Straßen vorbei. Die ganze Insel ist sauber, ein Spielplatz der Reichen. St. Barth. Ein Eiland im Nirgendwo.
Der Chauffeur trägt mein Gepäck bis ins Haus. Ich gebe ihm ein großzügiges Trinkgeld. Mira, die Haushälterin, kommt mir lächelnd entgegen. Ich kenne sie seit meiner frühesten Kindheit. Sie hütet ein, wenn niemand da ist, und kümmert sich um alles, wenn ein Mitglied meiner Familie hier residiert. Sie ist eine stämmige, stets gut gelaunte Britin mit klassischem Pferdegesicht und einem Händchen fürs Praktische.
„Etienne!“, grüßt sie mich. „Herzlich willkommen, Junge! Gut siehst du aus!“
„Vielen Dank! Du aber auch!“, erwidere ich höflich, obwohl das gelogen ist. Höflichkeit ist nun einmal zu neunzig Prozent Lüge. Gut hat sie nie ausgesehen, höchstens robust. Das tut sie immer noch. Ich hingegen sehe wirklich mehr als manierlich aus mit meinem dunklen Haar, der sorgsam trainierten Figur und den grünen Augen. Geholfen hat mir das auch nichts, unter dem Strich wirkt sie deutlich zufriedener mit sich und der Welt als ich.
Ich schicke mich an, nach meinen Koffern zu greifen. Sie scheucht mich mit einer lässigen Geste fort. „Darum kümmere ich mich!“, sagt sie, keinen Widerspruch duldend. „Du hast Ferien!“
„Die sind doch so schwer!“, protestiere ich der Form halber. Dieses Spielchen spielen wir jedes Mal.
Sie rümpft die Nase. „Ich habe schon Pferde beschlagen, als du noch nach deinem Nuckel geschrien hast!“, bügelt sie mich ab. Das mag sogar hinkommen, denn ihre Oberarmmuskulatur ist recht beeindruckend. Außerdem weiß ich, dass ich chancenlos gegen ihren Willen bin. Sie ist eine dieser Frauen, denen es im Blut liegt, immer die Hosen anzuhaben.
„Ich beuge mich deiner Gewalt“, gebe ich mich geschlagen.
„Auf der Terrasse stehen ein Snack und eine Erfrischung für dich bereit“, informiert sie mich und schiebt mich an der Schulter gepackt vor sich her durch das Wohnzimmer, das sich mit einer aufziehbaren Glasfront zum Meer hin öffnet.
Mein Blick fällt auf den gedeckten Tisch, und mein Magen gibt unziemliche
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