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Es Geht Noch Ein Zug Von Der Gare Du Nord

Es Geht Noch Ein Zug Von Der Gare Du Nord

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war.
     
    ***
     
    Am nächsten Morgen fand man den großen Kreis in der Rue Cunin-Gridaine im 3. Arrondissement. In seiner Mitte lag nur ein Lockenwickler.
    Conti fotografierte den Lockenwickler.
    Die nächste Nacht brachte einen Kreis in der Rue Lacretelle und einen weiteren in der Rue de la Condamine im 17. Arrondissement, die eine alte Damenhandtasche und ein Wattestäbchen umschlossen.
    Conti fotografierte die alte Damenhandtasche, dann das Wattestäbchen, ohne irgendeinen Kommentar abzugeben, wenn auch sichtlich verärgert. Danglard schwieg.
    Die drei folgenden Nächte lieferten ein Franc-Stück, eine Ampulle Vitapharm, einen Schraubenzieher und - was Danglards Laune etwas verbesserte, wenn man so sagen kann - eine tote Taube mit abgerissenem Flügel in der Rue Geoffroy-Saint-Hilaire.
    Adamsberg war unerschütterlich, lächelte und verwirrte den Inspektor. Er fuhr damit fort, die Zeitungsartikel auszuschneiden, die sich mit dem Mann mit den blauen Kreisen beschäftigten, und sie ohne jede Ordnung zusammen mit den Abzügen, die ihm Conti nach und nach lieferte, in seine Schublade zu stopfen. Inzwischen war das alles im Kommissariat bekannt, und Danglard machte sich ein bißchen Sorgen. Aber das vollständige Geständnis von Patrice Vernoux hatte Adamsberg für eine Weile unangreifbar gemacht.
    »Wie lange wird diese Geschichte noch dauern, Kommissar?« fragte Danglard.
    »Welche Geschichte?«
    »Die Kreise, mein Gott! Wir werden nicht unser Leben lang jeden Morgen vor Lockenwicklern in Andacht verharren, verdammt!«
    »Ach, die Kreise! Ja, das kann lange gehen, Danglard. Sogar sehr lange. Aber was macht das? Das oder was anderes, was hat das für eine Bedeutung? Die Lockenwickler sind doch lustig.«
    »Also hören wir damit auf?«
    Adamsberg hob abrupt den Kopf.
    »Das kommt gar nicht in Frage, Danglard, keinesfalls.«
    »Meinen Sie das ernst?«
    »So ernst ich nur sein kann. Die Sache wird größer werden, Danglard, ich hab's Ihnen gesagt.«
    Danglard zuckte mit den Achseln.
    »Wir werden all diese Unterlagen brauchen«, fuhr Adamsberg fort und zeigte auf seine Schublade. »Später ist das vielleicht unentbehrlich.«
    »Wann später, mein Gott?«
    »Seien Sie nicht so ungeduldig, Danglard, Sie werden doch nicht den Tod eines Menschen herbeiwünschen, oder?«
    Am nächsten Tag gab es eine Eiswaffel in der Avenue du Docteur-Brouardel im 7. Arrondissement.
     
    ***
     
    Mathilde war im Hotel des Grands Hommes vorstellig geworden, um den schönen Blinden zu suchen. Es war ein recht kleines Hotel für einen so großen Namen, wie sie fand. Oder vielleicht sollte es auch bedeuten, daß man nicht viele Zimmer brauchte, um alle großen Männer zu beherbergen.
    Der Mann am Empfang rief im Zimmer an, um Bescheid zu geben, und sagte ihr daraufhin, Monsieur Reyer könne nicht herunterkommen, er sei verhindert. Mathilde ging zu seinem Zimmer hinauf.
    »Was ist los?« rief sie durch die Tür. »Sind Sie nackt und haben Besuch?«
    »Nein«, antwortete Charles.
    »Ist es schlimmer?«
    »Ich bin häßlich anzusehen, ich finde meinen Rasierapparat nicht.«
    Mathilde dachte eine ganze Weile nach.
    »Sie können kein Auge drauf werfen, ist es das?«
    »Stimmt«, sagte Charles. »Ich habe überall herumgetastet. Ich verstehe das nicht.«
    Er öffnete die Tür.
    »Verstehen Sie, Königin Mathilde, die Dinge nutzen meine Schwäche aus. Ich hasse die Dinge. Sie verstecken sich, sie schlüpfen zwischen Bettgestell und Matratze, sie lassen die Mülltonne umfallen, sie quetschen sich zwischen die Dielen des Fußbodens. Ich habe genug. Ich glaube, ich werde die Dinge abschaffen.«
    »Sie sind ungeschickter als ein Fisch«, sagte Mathilde. »Denn die Fische, die ganz in der Tiefe leben, in völliger Dunkelheit so wie Sie, schaffen es trotzdem, etwas zu fressen zu finden.«
    »Die Fische rasieren sich nicht«, erwiderte er. »Und außerdem, verdammt, für Fische habe ich wirklich keine Augen!«
    »Augen, immer Augen! Machen Sie das extra?«
    »Ja, das mache ich extra. Ich habe eine ganze Liste mit solchen Ausdrücken: vor die Augen kommen, ein Auge auf etwas werfen, ich traue meinen Augen nicht, ich habe meine Augen überall, ich habe Sie ganz aus den Augen verloren usw. Es gibt Tausende. Ich verwende sie gerne. Das ist wie bei denen, die ihre Erinnerungen wiederkäuen. Aber es stimmt, daß ich für Fische keine Augen habe.«
    »Das passiert vielen Leuten. Es stimmt, daß man die Tendenz hat, Fischen nur Gleichgültigkeit entgegenzubringen.

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