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Es Geht Noch Ein Zug Von Der Gare Du Nord

Es Geht Noch Ein Zug Von Der Gare Du Nord

Titel: Es Geht Noch Ein Zug Von Der Gare Du Nord Kostenlos Bücher Online Lesen
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beiden Verdächtigen, die bei ihm am Tisch saßen, gar nicht so abgelenkt. Wenn man noch genauer hinsah, dann wachte, überwachte, lauschte und leitete der Denker Danglard, so besoffen er sein mochte. Sogar im Rausch blieben Mathilde und Reyer für das schneidende Hirn Danglards Figuren, die zu eng in einem Mordfall verwickelt waren. Adamsberg lächelte und ging auf den Tisch zu.
    »Ich weiß«, sagte Danglard und zeigte auf die Plastikbecher, »das ist gegen die Regeln. Aber diese Leute sind nicht meine Mandanten. Sie sind hier nur auf der Durchreise. Sie wollten zu Ihnen.«
    »Und zwar dringend«, sagte Mathilde.
    An Mathildes Blick merkte Adamsberg, daß sie eine gewaltige Wut auf ihn hatte. Besser, den Eklat vor allen Leuten zu vermeiden. Er ließ das Glas Wein bleiben und führte sie in sein Büro, wobei er Danglard ein Zeichen gab. Sicherheitshalber. Um ihn nicht zu kränken. Aber Danglard war das völlig egal, er hatte sich bereits wieder auf seine Unterlagen gestürzt.
     
    »Also? Hat Clémence den Mund nicht gehalten?« fragte er Mathilde behutsam, während er sich schräg hinsetzte.
    Adamsberg lächelte, den Kopf zur Seite geneigt.
    »Sie brauchte es nicht zu tun«, sagte Mathilde. »Es scheint, Sie haben sie mit Fragen über ihr Leben und dann über Réal nur so bedrängt. Adamsberg, ist das eine Art, sich zu benehmen?«
    »Meine Art, mich als Bulle zu benehmen, vermute ich«, sagte Adamsberg. »Ich habe sie nicht bedrängt. Clémence redet ganz von allein und pfeift dabei durch die Zähne. Und ich hatte Lust, Réal Louvenel kennenzulernen. Ich komme gerade von ihm.«
    »Ich weiß«, sagte Mathilde, »und bin völlig außer mir.«
    »Das ist normal«, erwiderte Adamsberg.
    »Was wollten Sie von ihm?«
    »Erfahren, was Sie im Dodin Bouffant wohl gesagt haben.«
    »Aber was hat das für eine Bedeutung, mein Gott?«
    »Manchmal, aber nur manchmal bin ich versucht herauszufinden, was die anderen vor mir verbergen. Und seit dem Artikel in dieser Zeitung vom 5. Arrondissement dienen Sie all denen, die sich dem Mann mit den Kreisen gerne nähern würden, als Fliegenfalle. Folglich muß ich mich darum kümmern. Ich glaube, daß Sie nicht allzuweit davon entfernt sind, herauszukriegen, wer er ist. Ich hatte gehofft, daß Sie an dem Abend mehr gesagt haben und Louvenel es mir erzählen würde.«
    »Ich hätte mir nicht vorgestellt, daß Sie auf solchen Umwegen vorgehen.«
    Adamsberg zuckte mit den Schultern.
    »Und Sie, Madame Forestier? Ihr erstes Erscheinen im Kommissariat? War das vielleicht direkter?«
    »Keine andere Wahl«, erwiderte Mathilde. »Aber Sie hält man für integer. Und plötzlich sind Sie krumm.«
    »Auch keine andere Wahl. Und außerdem ist das so, ich bin unbeständig. Immer unbeständig.«
    Adamsberg stützte den noch immer zur Seite geneigten Kopf auf seine Hand. Mathilde sah ihn an.
    »Genau wie ich gesagt habe«, fuhr Mathilde fort. »Sie sind amoralisch, Sie hätten sich besser verkaufen sollen.«
    »Genau das mache ich gerade, um Informationen zu bekommen.«
    »Worüber?«
    »Über ihn. Über den Mann mit den Kreisen.«
    »Sie werden enttäuscht sein. Ich habe mir die Identität des Mannes mit den Kreisen auf der Basis von ein paar Erinnerungen ausgedacht. Ich habe keinerlei Beweis. Reine Phantasie.«
    »Schritt für Schritt«, murmelte Adamsberg, »gelingt es mir, Ihnen einzelne Teile der Wahrheit zu entreißen. Aber es ist langwierig. Könnten Sie mir sagen, wer er ist? Selbst wenn Sie ihn sich ausgedacht haben, es interessiert mich.«
    »Das Ganze beruht auf nichts. Der Mann mit den Kreisen erinnert mich an einen Mann, dem ich vor langem mal gefolgt bin, mindestens acht Jahre ist das her, im Viertel von Pigalle eben. Ich bin ihm in ein kleines, düsteres Restaurant gefolgt, wo er allein zu Mittag aß. Er arbeitete beim Essen, ohne jemals seinen Regenmantel auszuziehen, und stapelte haufenweise Bücher und Blätter auf dem Tisch. Und wenn ihm eines davon runterfiel, was ständig vorkam, bückte er sich, um es aufzuheben, indem er die Schöße seines Regenmantels hochhob, als wäre es ein Hochzeitskleid. Manchmal stieß seine Frau mit ihrem Liebhaber zum Kaffee dazu. Dann machte er den Eindruck eines Unglücklichen, der entschlossen ist, alle Demütigungen einzustecken, um nur irgend etwas zu behalten. Aber wenn seine Frau und ihr Liebhaber gegangen waren, war er voller Gehässigkeit, zerschnitt mit Sorgfalt die Papiertischdecke mit seinem Fleischmesser, also ganz offensichtlich stimmte

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