Es geht uns gut: Roman
Hilfskraft für die Kinder oder den Haushalt gelang es ihr durchzusetzen. Peter legte sich wiederholt mit dem Argument quer, er hasse diese semifamiliären Bindungen, er wolle nicht parat stehen für fremde Leute und jederzeit den Chauffeur machen müssen. Damit hatte es sich. Das Angebot ihres Vaters, das Kindermädchen von der Steuer abzusetzen, indem er es als Hilfskraft beim Ordnen seines Nachlasses führt, kam gar nicht zur Diskussion. Und Ingrid hatte es auszubaden. Wären nicht Frau Andritsch und die anderen Nachbarinnen gewesen, sie hätte sich aufhängen können.
Sie war jung, auch wenn sie sich damals nicht gar so jung vorkam: zwanzig, zweiundzwanzig, vierundzwanzig. Sie sah nicht annähernd und wollte vielleicht auch nicht sehen, was sie ruhig ein wenig kritischer hätte unter die Lupe nehmen dürfen. Es ist ja nicht so, daß sie nicht gewarnt worden war. Selber schuld, kann sie nur sagen. Denn sie muß zugeben, vieles hat sie sich vorgemacht. Das große Glück zum Beispiel – wenn sie ehrlich ist, gab es das nie.
Und jetzt: Jetzt muß sie mit den Konsequenzen leben. Sie muß das Beste daraus machen, obwohl es keine leichte Aufgabe ist, Peter in seiner freundlichen, unbekümmerten, konsequent distanzierten, eingefleischt gleichgültigen Art zu lieben.
Fortsetzung: In seiner grundanständigen, gutmütigen, selbstgenügsamen, nein, anspruchslosen, in seiner alles verharmlosenden und vieles herunterspielenden, von Not und Krieg gelehrten, defensiven, kontaktscheuen undsoweiter undsoweiter –.
Aus der Verjüngung der Allee Richtung Neptun-Grotte dringt Gelächter und Geschrei. Augenblicke später biegen Jugendliche in Ingrids Gesichtsfeld, die sich auf italienisch unterhalten. Zwei Paare bilden sich. Ohne Musik tanzen sie im Walzerschritt die Allee herunter. Schnee quietscht unter ihren Füßen, sie lachen und stoßen »Auguri!«-Rufe aus. Cara bellt. Sissi schaut blauäugig, Philipp steht der Mund offen, ein wenig empört. Ingrid hat eine riesige Freude, sie strahlt mit den Jugendlichen, wirft ihren roten Schal, der gut zu ihren vielen Haaren paßt, zurück über die Schulter und dreht sich ebenfalls zweimal. Mit einem Luftpartner und der Zigarette in der Hand. Das erste Mal an diesem Tag, daß sie das Gefühl hat, der Boden unter ihren Füßen ist fest.
Wien und Walzer, früher (früher!) war das für sie ein Begriff.
Als die Laternen angehen, sind sie wieder zu Hause. Peter empfängt seine Familie unter der Tür, so kann Cara ins Haus und Tapser bis in die Küche machen. Ingrid, die ihren feuchten Mantel aufknöpft, bekommt einen Kuß, nicht gerade einen Kinokuß. Aber immerhin. Sie freut sich darüber, zumal sie vom geisterhaften Tanzen der Jugendlichen nach wie vor halb abwesend ist. Es kommt noch besser: Gefragt, was um Himmels willen in ihn gefahren sei, ob er den ganzen Marillensekt weggetrunken habe (er verneint), schwingt Peter sich zu dem Bekenntnis auf, daß er sich ein Leben ohne sie drei nicht mehr vorstellen könne. Auch das tut Ingrid gut, obwohl Peter damit zu verstehen gibt, daß er Frau und Kinder als Personalunion begreift.
Peter hilft den Kindern aus den Stiefeln. Er berichtet von den Telefonaten, die er geführt und entgegengenommen hat.
Er sagt:
– Trude läßt fragen, ob wir einen Kalender brauchen. Sie schickt uns einen.
– Das ist nett, daß sie an uns denkt.
Als Ingrid die Kinder in die Badewanne steckt, bringt Peter sogar eine Tasse Kaffee mit warmer aufgeschäumter Milch. Sehr aufmerksam. Er ist wie verwandelt.
Wie verwandelt? Natürlich, Ingrid kennt die dahintersteckenden Mechanismen aus jahrelanger Erfahrung. Für den Moment sind Peters Annäherungsversuche und Versöhnungsgesten trotzdem ganz angenehm. Sie ist ja immer schnell zu erweichen. Den Wunsch, daß es wieder besser wird, hat sie schon aus dem pragmatischen Grund, weil es die Kinder gibt. Sie hofft halt, daß keines von ihnen Peters partnerschaftliche Minderbegabung geerbt hat. Gleichzeitig hofft sie natürlich auch, daß die Zwanghaftigkeit, mit der Peter sich in Nebensachen vertieft, nicht an die beiden übergegangen ist. Damit würden die Ärmsten schlecht fahren.
Sie meint Peters Basteln in der Werkstatt und die Spiele, von denen er nicht abgelassen hat, bis ihm nichts anderes mehr übrigblieb. Schlagende Beispiele in puncto radikaler Nebensachen. Für Ingrid hatten die Spiele am Anfang Freiheit und Abenteuerlust und Kreativität und Wille zur Selbstbehauptung signalisiert. Aber bis auf die
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