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Es geht uns gut: Roman

Es geht uns gut: Roman

Titel: Es geht uns gut: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Geiger
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Kilogramm
    Peter föhnt den Kindern die Haare und füttert sie mit Broten ab. Ingrid stellt sich derweil unter die Dusche und hat Schuldgefühle, weil sie innerlich zumacht, sowie sie mit ihren Eltern zu tun bekommt. Es ist, als hätte sie ein abnormes Interesse daran, daß zwischen ihr und ihren Eltern alles bleibt, wie es ist. Klar, sie hat hinreichend Gründe, ihren Eltern die kalte Schulter zu zeigen. Doch gleichzeitig will sie nicht bestreiten, daß sie weder Zeit hat, das Verhältnis zu verbessern, noch ein Verlangen verspürt, sich mit einer eventuellen Verbesserung der Beziehung zusätzliche Verpflichtungen aufzuhalsen. Manchmal kommt es ihr vor, als ob sie vor allem aus Routine barsch und unleidig ist, damit man sie in Ruhe läßt. Wobei von Ruhe dann erst recht nicht die Rede sein kann, weil sie sich schuldig fühlt, sowie sie ihre Eltern abgebeutelt hat. Diese Schuldgefühle führen dazu, daß sie ihren Fehler gutmachen will; das hat weiterhin mit ihrem Ruhebedürfnis zu tun. Jetzt zum Beispiel: Beschließt sie, sofort nach dem Duschen unter einem Vorwand zurückzurufen und freundlicher zu sein. Doch davor schreckt sie gleichzeitig zurück, weil es wenig wahrscheinlich ist, daß sie sich hinterher besser fühlen wird. Wirst du dann zufrieden sein? Eingehüllt in Wasser und Dampf, kommt sie zu dem Schluß, daß sie der größte Egoist von allen ist.
    Konter, Parade:
    Nein, Ingrid, du dummes Huhn, du mußt dich von dieser idiotischen Vorstellung freimachen, denn das stellt alles auf den Kopf. Du kannst nicht für das Glück aller zuständig sein. Man braucht auch ein Minimum an Energie für sich. Denk dran, was in der Cosmopolitan stand, die vor einigen Wochen im Ärztezimmer lag: Man verwendet seine Energien für sich und den Rest, der verbleibt, für andere. Du machst es genau umgekehrt. Du bist eindeutig zuwenig egoistisch, das springt jedem sofort ins Auge. Statt daß du ständig nach Rechtfertigungen für dein eigenes Verhalten suchst, sollten besser die anderen sich an der Nase nehmen. Ist doch so? Oder?
    Aber das schlechte Gewissen bleibt trotz des guten Zuredens, und Ingrid nimmt sich vor, wenigstens am Dienstag, wenn sie ihre Eltern besucht, einen Anfang zu machen. Nicht mehr als einen kleinen Anfang. Das tut nicht weh.
    Ingrid trocknet sich ab und kleidet sich für den Abend. Bei dieser Gelegenheit kramt sie die Autogrammkarte von Paul Hörbiger aus ihrer Schublade und verbrennt sie in der Klomuschel. Sie kippt das Fenster, damit sich der Rauch verziehen kann. Dann geht sie nach unten, wo Peter im Spielzimmer für die Kinder den August macht. Philipp herzt Peter ein paarmal und drückt ihn, so daß Ingrid fast ein wenig eifersüchtig wird. Daß Peters Nichtstun ihm bei den Kindern soviel Ansehen einträgt, sobald er sich doch einmal herbeiläßt, mit ihnen zu spielen, ist ein Phänomen, das sich Ingrid nie erhellen wird. Aber bitte, sie erzieht die Kinder, Peter konsumiert sie.
    – Ich möchte euer Idyll nicht stören, aber wenn ihr zwei (sie deutet auf Sissi und Philipp) nicht stantepede ins Bett geht, ist der Chinese gestrichen und auch das Bleigießen fällt ins Wasser. Also los, ich mein’s, wie ich’s sage.
    Als dann während des Fernsehens ihr Feuerzeug runterfällt, bückt sich Peter unverzüglich, um es aufzuheben. Und als sie niesen muß, sagt er sofort:
    – Zum Wohl.
    Diese enorme Fürsorglichkeit macht sie fast stutzig. Seit dem Mittagessen, seit immerhin sechs Stunden, hat Ingrid kein Wort der Kritik mehr gehört, es gibt keine Rhetorik und keinen beleidigten Unterton. Peter sucht sogar Hautkontakt, wenn auch auf unbeholfene Art; wie er ihr das feuchte Haar hinters Ohr streicht. Doch da gute Absicht zweifellos vorhanden ist und Peter trotz allem nicht mehr zum Himmel stinkt als die meisten Männer, will sie nicht so sein und dem harmonischen Abend nicht im Weg stehen. Ein paar Mal beißt sie sich auf die Zunge und schluckt eine Bemerkung hinunter, die sie gerne losgeworden wäre. Aber bitte. Der Himmel wird es ihr vergelten, oder die Hühner werden lachen.
    Vielleicht wird Peter sich ja der Tragweite bewußt, weshalb ein anderer Wind weht, vielleicht packt ihn die Angst vor einer möglichen Trennung, wie sie Andritschs gerade droht. Vielleicht trifft das seinen Stolz, und er entsinnt sich für ein paar Tage seiner häuslichen Pflichten. Denkanstöße gäbe es genug.
    Apropos Andritsch: Ingrid ist gespannt, ob Herr Andritsch um Mitternacht wieder ein Feuerwerk abbrennt wie zu

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