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Es geht uns gut: Roman

Es geht uns gut: Roman

Titel: Es geht uns gut: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Geiger
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jämmerlichen Schönschreibart, sagt er zu sich, und er sagt es in einer Mischung aus Stolz und Trotz, denn der Gedanke, daß er Nähe nur dort sucht, wo er keine Gefahr läuft, vereinnahmt zu werden, kommt ihm für einen Moment wie der Beweis seiner Souveränität vor – wenn ihm auch gleichzeitig klar ist, daß er sich etwas vormacht. Trotzdem (trotzdem, trotzdem) fühlt er sich durch diesen Gedanken gestärkt (auch die Begegnung mit der Schwangeren hat seine Laune ein wenig gebessert), und so beschließt er, den günstigen Wind zu nutzen und in seinem Zimmer, dem ehemaligen Nähzimmer, die Tapeten herunterzureißen.

Freitag, 30. Juni 1978
    Im knisternden Radio ein Vortrag über Alternativenergien, in dem davon die Rede ist, daß das vermehrte CO 2 in der Luft zu einer Erwärmung der Erdatmosphäre führen wird, wodurch die Eismassen an den Polen teilweise abschmelzen, was wiederum den Meeresspiegel um fünf bis acht Meter ansteigen läßt. Venedig bis zum Hals, New York bis zu den Knien im Wasser.
    – Wir würden besser nach New York fahren, sagt Sissi, die zukünftige Berufsrevolutionärin, die mit offenem Mund an ihrem Reisekaugummi kaut.
    Ihre Urlaubshalluzinationen, das kann Peter sich lebhaft vorstellen, umfassen U-Bahnen, Müllgeruch, Plätze mit Panflötenspielern und in den Museen Bilder, auf denen die Porträtierten beide Augen auf einer Wange haben und aussehen wie Ufonen. Dazu langhaarige Typen, die an den Ecken stehen und bei jedem jungen Menschen, der vorübergeht, zwischen den Zähnen zischen.
    – Was uns an der Adria alles Schönes erwartet, sagt er.
    – Ich wüßte nicht was, kontert Sissi, siebzehn, ein mittelgroßes, schlankes Mädchen mit fuchsrot gelockten, völlig willkürlich geschnittenen Haaren.
    – Sonne und Meer, sagt Peter.
    – Und die Glocken an den Fischernetzen, die wie auf einer Ziegenalpe klingen. Willkommen daheim.
    Sie befinden sich auf der Fahrt nach Jugoslawien, wo sie auch den großen Urlaub des letzten Jahres verbracht haben. Diesmal wollen sie campen, weil sich die Hotels im letzten Jahr teilweise in einem Zustand präsentierten, daß nicht einmal Peter je zuvor etwas ähnlich Trostloses vor Augen gekommen ist, nicht einmal als er in den fünfziger Jahren mit seinen Spielen durch Österreich tourte und bei seiner Quartierwahl nicht allzu wählerisch war. Durchhängende Betten, beim WC fehlte mehrfach das W . An einem der letzten Tage holten sie sich nahe bei Dubrovnik Flöhe. Als Peter nachts von den Bissen wach wurde und Licht machte, hüpften die Flöhe zu Hunderten auf ihm und den Kindern herum. Wie Staub, der auf Dachböden in Lichtstrahlen tanzt.
    Er weckte die Kinder und rief:
    – Sachen zusammenpacken!
    Nach fünf Minuten waren sie draußen und wechselten über die Straße in ein anderes Hotel, obwohl sie das Geld für das erste Zimmer nicht erstattet bekamen; da müsse man auf den Manager warten. Die Rückfahrt nach Wien war dann alles andere als komfortabel. Aber unterhaltsam: Wer die meisten Flöhe zur Strecke bringt. Sie lachten viel. Zu Hause mußte Peter jedoch gut 300 Schilling für Flohpulver, Flohsprays und ein Flohhalsband für Cara ausgegeben, und trotzdem blieb drei Wochen lang immer irgendwo eine Gruppe zurück, die nach einigen Tagen des Stillhaltens über eines der Kinder herfiel.
    Um derlei Vorkommnissen diesmal aus dem Weg zu gehen, werden sie in der Nähe von Porec zelten. Unter Olivenbäumen, zwischen wilden Schildkröten. Nettere Gesellschaft. Es wird herrlich sein.
    Trotzdem nörgelt Sissi:
    – Papa, ich will nicht campen. Bitte.
    Er sagt:
    – Dem Antrag wird nicht stattgegeben.
    – Ich bin doch kein kleines Baby mehr, das nicht auf sich selbst aufpassen kann. Sogar die Eltern von Edith erlauben ihr, daß sie auf Interrail geht.
    – Vielleicht, weil Ediths Eltern selbst nicht in den Urlaub fahren. Da bist du besser dran.
    Nervös läßt Sissi das Gummiband schnellen, das sie an ihrem linken Handgelenk trägt –  gegen den bösen Blick (eine von Sissis typischen Auskünften auf angeblich dumme Fragen). Im Ton herablassender Empörung sagt sie:
    – Nur mich fragt wieder mal keiner.
    – Ich brech gleich in Tränen aus. Du wirst Spaß haben, und außerdem wirst du dich erholen.
    – Wenn meine Erholung deine einzige Sorge ist.
    – Es ist zumindest eine, mein Gott.
    – Ich würde mich aber besser erholen ohne euch.
    – Indem du im Zug zwischen Innsbruck und Neapel am Gang schläfst. Nach meiner bescheidenen Meinung

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