Es geht uns gut: Roman
die zur Straße hin zwei Zapfsäulen hat. Er nimmt einen Notizblock aus dem Handschuhfach, den Fotoapparat vom Beifahrersitz und steigt aus. Gegen die grelle Sonne blinzelnd, läßt er den Blick über die Anlage schweifen, ohne ersichtliche Hast und ohne neugierig zu wirken. Er macht erste Notizen. Er reguliert an der Kamera Blende und Fokus. Schießt ein Foto. Dann unterzieht er die Kreuzung einer gründlichen Inspektion. Er arbeitet konzentriert, die heiße Sonne prickelnd mal auf dem Gesicht, mal im Nacken, den Geruch des Verkehrs in der Nase, wie er es mag.
Es ist ein Knoten mit drei Ästen, ein schiefes T, wo ein Nebenast in eine stark mit Durchgangsverkehr belastete Hauptstraße stößt. Der schwächere Ast hat lediglich lokale Bedeutung und mündet von unten in spitzem Winkel in den Hauptast. Das bringt Nachteile bei der Übersichtlichkeit, zumal die Kreuzung durch private Liegenschaften in der Breitenwirkung beengt ist. Wie Peter feststellt, werden auf der – für sich betrachtet – übersichtlich verlaufenden Hauptachse hohe Geschwindigkeiten gefahren. Trotzdem gibt es für abbiegende Fahrzeuge keinerlei Verzögerungs- und Vorsortierungsspuren, dadurch auch keinen Stauraum. Das tut seine Wirkung. Speziell die Situation für die von stadtauswärts kommenden Linksabbieger ist verheerend. Die Spur wird bei der Querung der Kreuzung nicht geführt. Ein Wagen, der im Eckverkehr aus der Hauptstraße in den Nebenast biegen will, wird dies – um aus dem Gefahrenbereich zu kommen – möglichst rasch tun, dabei kann es dann passieren, daß er die Gegenfahrbahn anschneidet. Peng. Noch von der Garage aus fotografiert Peter einen dieser Abbiegevorgänge. Einen Augenblick später überquert er die Hauptstraße zur linken Seite des einbiegenden Astes, wo zahlreiche Kreidemarkierungen die Arbeit der Polizei vom Anfang der Woche dokumentieren. Peter betrachtet die Markierungen. Pfeile, Begrenzungsstriche, Bremsspuren. Er registriert die in der Sonne funkelnden Plastiksplitter, die in den Rinnstein gekehrt wurden. Unterdessen läßt er den Verkehr um sich herum geschehen, weder ängstlich noch achtlos, mit dem deutlichen Gefühl, daß ihm nichts zustoßen kann, weil er jede Unregelmäßigkeit aus dem Geräuscheteppich heraushört. Erfahrungssache. Er macht weitere Fotos. Er läuft ein Stück in den Nebenast hinein. Am oberen Ende, wo die Straße neuerlich auf eine Querstraße stößt, bietet sich dem Blick ein Gasthaus und auf dem Platz davor ein Mädchen, das auf Stelzen in die Ferien stakst. Peter schaut dem Mädchen einen Augenblick lang zu. Dann wechselt er nochmals die Straßenseite und macht eine Fotografie der Kreuzung in Richtung der Stadt. Die Autogarage ist jetzt ebenfalls im Bild. Am äußerst rechten Rand des Suchers schiebt sich der hellbraun-beige Opel Manta herein, den Peter im Vorjahr gekauft hat. Die Kinder sind mittlerweile ausgestiegen. Mag sein, er hätte den Wagen besser im Schatten geparkt.
– Ich bin gleich soweit! ruft er.
Er überfliegt seine Notizen, rekapituliert die Bestandsaufnahme. Nach einer weiteren Fotografie verschließt er den Apparat und tritt mit gezücktem Stift, begleitet vom Läuten der Ladenklingel, in die Fleischhauerei, die mit der Eingangstür zur Unfallstelle liegt, das Haus eingeklemmt zwischen den beiden Straßen, die keilförmige Schmalseite des Hauses zum vortrittsberechtigten Ast.
Nachdem Peter um sechs Semmeln mit Salami und Gurken gebeten hat, stellt er einige Fragen. Ob es an dieser Stelle schon öfters Unfälle gegeben habe, Blechschäden, und ob man zuweilen Reifenquietschen höre, ohne daß es kracht.
– Ja, schon, antwortet die Frau hinter der Ladentheke.
Sie reißt mit dem Messer ein breites Stück Haut von einer Ungarischen und schneidet die Wurst elektrisch auf.
– Der Doktor hat mir verordnet, ich soll mich nicht aufregen, sonst kriege ich den Herzschlag, und der Ofen ist aus. Aber ich glaube, es ist die Galle. Ich hatte noch nie Probleme mit dem Herzschlag, aber mit der Galle.
Das Gesicht der Frau hat überall Furchen. Ihre Hände sind alt, an der rechten Hand fehlt der kleine Finger inklusive der Gelenkpfanne. Ein faltiger Hautlappen über der Amputationsstelle ist dunkler als die Haut am Handrücken, und man sieht dort auch nicht die Venen darunter.
– Es kreischt und quietscht, es ist wie in einem Schweinestall. Die Leute schaffen ihre Wagen alle paar Jahre zur Autoweihe. Dann fahren sie aufs Geratewohl durch die Gegend, nach dem Motto,
Weitere Kostenlose Bücher