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Es geht uns gut: Roman

Es geht uns gut: Roman

Titel: Es geht uns gut: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Geiger
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werden.
    – Aber du sagst doch sonst immer, daß du Friseur werden willst.
    – Ich habe noch nie gesagt, daß ich Friseur werden will.
    – Das wäre aber genau der richtige Beruf für dich.
    Philipp versteckt sich hinter dem Asterix-Heft, so gut er kann. Als Sissi nicht lockerläßt, sagt er:
    – Laß mich in Ruhe mit dem saudummen Zeug.
    – Warum saudummes Zeug? Du drehst den Frauen Dauerwellen und kochst ihnen einen guten Kaffee, während sie unter der Trockenhaube sitzen.
    – Papa, sag Sissi, daß ich nicht Friseur werden will.
    – Sissi, laß deinen sonderbaren Humor woanders aus.
    – Ich interessiere mich dafür, was er später werden will, erwidert Sissi, ganz Schweinchen Schlau. Und wieder zu Philipp gewandt: Wenn du nicht Friseur werden willst, was willst du dann werden?
    Philipp schaut zum Fenster raus auf die Trasse der im Bau befindlichen Autobahn südlich von Lebring, auf einen Laster, der sich ihnen nähert in Richtung der neuen Autobahnbrücke, die der Manta im nächsten Moment unterquert.
    – Willst du Asphaltarbeiter werden? fragt Sissi: Dann hättest du Muskeln und ganzjährig eine gute Farbe und wärst große Klasse. Das gefällt den Mädchen. Weißt du eigentlich, daß du ein ziemlich hübscher Bub bist.
    Philipp verzieht das Gesicht. Die Lektionen der letzten Zeit raten ihm, Komplimente von Sissi zu ignorieren. Mit Lob fängt man Narren.
    Sie sagt:
    – Du bist hübsch, aber ein bißchen klein, und leider befürchte ich, daß du nicht mehr wachsen wirst. Du wirst so klein bleiben, wie du bist.
    – Das stimmt überhaupt nicht.
    – Man nennt das Wachs-tums-hor-mon-mangel. Das läßt sich bei dir nicht mehr beheben, dafür bist du schon zu alt, weil du bald diesen Flaum auf der Oberlippe bekommst. Aber sei nicht traurig, Schönheit ist nicht alles.
    – Jetzt sei doch nicht so gemein zu ihm, sagt Peter.
    Er reibt sich die Wangen. Er muß daran denken, wie sehr sich Sissi in den letzten Jahren um Philipp gesorgt hat und wie oft sie deshalb eingespannt war. Peter hat immer den Hut vor ihr gezogen und ihr deshalb auch manches nachgesehen. Jetzt hängt er der Frage nach, ob Sissi ihren kleinen Bruder – seit wann geht das eigentlich so? –, ob sie ihn deshalb in letzter Zeit härter anpackt, weil Philipp allmählich selbständig wird.
    – Ich hab doch gesagt, daß er ein hübscher Bub ist.
    Philipp, der jetzt in Wut gerät, platzt heraus:
    – Papa, die dumme Kuh hat nur schlechte Laune, weil sie sich auf dem Schulfest verliebt hat.
    Noch ehe Peter Luft holen kann, um Philipp wegen der dummen Kuh zu bitten, sich einer netteren Ausdrucksweise zu bedienen, faucht Sissi:
    – Bist du still!
    – Papa, er heißt Valentin! Er –.
    Aus dem angefangenen Satz wird nichts. Sissi stürzt sich auf ihren Bruder, nimmt ihn in den Schwitzkasten und hält ihm mit der Hand den Mund zu. Philipp redet weiter, doch da er die meisten Laute nicht mehr bilden kann und das wenige, was er an dumpfem Gebrabbel herausbringt, von Sissis Drohungen übertönt wird, ist nichts mehr zu verstehen.
    – Gebt Ruhe da hinten, es reicht. Hört ihr? Ich hab gesagt, es reicht. Ihr sollt aufhören.
    Da die Kinder nicht reagieren, lenkt Peter den Wagen in die Nische einer Bushaltestelle und läßt die Kinder balgen, bis ihr Zorn von selbst erlahmt. Zum Ausklang bedenken die Kinder einander mit den üblichen banalen Schimpfwörtern (Ausnahme: Arsch-mit-Ohren-Friseur). Dann setzen sie sich stocksteif in ihre Ecken und starren geradeaus.
    Peter sagt, fast ohne die Stimme zu heben:
    – Sissi, du brauchst deinen Grant nicht an Philipp auslassen.
    Sie läßt ihren Vater ein wenig warten.
    – Das geht mir alles so auf die Nerven. Ich begreife nicht, warum ich mit euch in den Urlaub fahren muß.
    – Mit einem alten Nazi und einem Friseuranwärter. Ist es das, was du sagen willst?
    Sie schluckt, sie muß es sich verbeißen, daß sie gleich in Tränen ausbricht. Mit Mühe würgt sie ihre Scham hinunter, die wenigen Tränen, die ihr dennoch kommen, blinzelt sie rasch weg.
    – Es war ja nur geblödelt.
    – Wo wir grad beim Blödeln sind. Eins möchte ich doch sagen: Dein Herr Che Guevara hatte nicht alle Tassen im Schrank. Die Aufgabe des Revolutionärs ist es, die Revolution zu machen . Das ist genau das richtige fürs Poesiealbum. Aber wenn man mit fünfzehn Leuten in den bolivianischen Dschungel geht und glaubt, auf diese Weise die Regierung stürzen zu können. Also bitte! Alles, was recht ist! Im Dschungel

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