Es geht uns gut: Roman
Stanislaus, als es mit dem Glanz vorbei war.
Philipp setzt sich wieder (wieder) auf die Vortreppe, in den Geruch des Schotters, und lebt sein Leben trübsinnig Richtung Abend, er wartet, das aktuelle Notizbuch neben sich, am hinteren Ende des Bleistifts saugend, auf Steinwalds und Atamanovs Rückkehr. Mit Johanna ist ohnehin nicht zu rechnen.
Doch was kommt, das ist ein Licht, als trüge Philipp eine grünlich getönte Plastiksonnenbrille. Wenig später setzt Hagel ein, für gut fünf Minuten, das ist um halb sechs. Philipp schaut auf die Uhr. Es hagelt Schloßen von gut einem Zentimeter Durchmesser. Den größten springt er hinterher, und während sie in seiner Hand schmelzen, machen sie ihn stolz, als ob sie nur über seiner Herrschaft niedergegangen wären, auf seine Länderei. Das ist nicht wahrscheinlich, auch nicht logisch, aber das wenigste ist da, um logisch zu sein, und der Gedanke, daß der Hagel diesmal nur für ihn gefallen ist, ist ihm sympathisch, obwohl er sich gleichzeitig einsam fühlt wie seit Monaten nicht. Weil kein Schwein neben ihm steht. Weil die Liebe den Hunden preisgegeben ist. Weil am Himmel die düsteren Fische mit den Schwanzflossen schlagen. Undsoweiter, undsoweiter.
Irgendwie gehört seine Mutter in diesen Zusammenhang. Es ist, als wäre sie nur kurz zum Einkaufen weggegangen und er zu Hause geblieben. Aber er kann nicht genau bestimmen, woher dieser Eindruck stammt, diese vage Kontur einer Erinnerung, die er schon so gut wie aus dem Gedächtnis verloren hat und die in ihren präzisen Umrissen nicht wiederherzustellen sein wird.
Am Abend brät er für Steinwald und Atamanov Schnitzel, das haben die beiden sich gewünscht, nachdem Philipp sie hat regelrecht bedrängen müssen, ihr Lieblingsessen zu nennen. Philipp hat den Verdacht, seine Schwarzarbeiter wollen weiterhin keine Umstände machen oder sich möglichst unauffällig verhalten, indem sie das Allerbanalste fordern, das Allereinfachste. Im Taktschlag des Fleischhammers singt Philipp Schöner fremder Mann , was ihn fröhlich stimmt wie überhaupt die ganze Kocherei, die etwas ist, das er tun kann, ohne gleich in Verzweiflung zu geraten. Er paniert das Fleisch, setzt den Reis auf, wäscht, schneidet, raspelt, hackt und stückelt für den Salat. Er läßt zwei Schnitzel ins Fett gleiten, aber das führt augenblicklich zu einer so starken Lärm- und Rauchentwicklung, daß er die Pfanne vom Herd reißt und das zu heiße Fett in den Ausguß schüttet. Was ein Fehler ist. Denn das Fett kühlt ab und verklumpt im Abflußrohr. Philipp merkt es, als er die Pfanne reinigt, um mit den abgeschabten Schnitzeln einen zweiten Anlauf zu nehmen. Das Wasser bleibt in der Abwasch stehen. Selbst ein Kessel voll kochend heißem Wasser, das er dem Fett hinterherschüttet, ändert an dieser Situation nichts. Das Rohr bleibt zugepfropft. Steinwald könnte ein zweites Mal zum besten geben, womit er schon Philipps Auskunft, Schriftsteller zu sein, kommentiert hat:
– Der Finger in der Nase dichtet auch.
Während Philipp sich damals vor Lachen verschluckt hat, schämt er sich jetzt, als müßten seine Schwarzarbeiter unweigerlich denken, daß er eine Niete von höchster Konzentration ist, einer von der Sorte, die zu nichts anderem taugt, als Schaden in der Welt anzurichten: Du Blasengel! Du halbgarer Surrealist! Philipp wird ganz klein vor sich selbst und findet sich richtig zuwider, was letztlich der Hauptgrund ist, weshalb er das Mißgeschick Steinwald und Atamanov gegenüber verschweigt.
Auch den Versuch seiner Gehilfen, nach dem Abendessen den Abwasch zu erledigen, wehrt er erfolgreich ab, indem er Steinwald daran erinnert, daß dieser ihm die Angebote vorlegen wollte, die in puncto undichtes Dach eingegangen sind. Drei Kostenvoranschläge, preislich kein nennenswerter Unterschied. Steinwald rät, sich für das Angebot mit dem frühesten Termin zu entscheiden, weil der frühe Termin den Vorteil habe, daß Steinwald die Arbeiten beaufsichtigen und die Rechnung kontrollieren könne, während er sich zu den anderen Terminen als Atamanovs Trauzeuge in der Ukraine aufhalte.
Was zum Teufel?! schießt es Philipp in den Kopf, und für eine Weile hat er Mühe, einen klaren Gedanken zu fassen, so sehr fühlt er sich zurückgesetzt, an den Rand gedrängt, übergangen und ausgeschlossen. Ausgerechnet Steinwald! Trauzeuge! Philipp zögert. Am liebsten würde er aufstehen und den Raum verlassen. Aber in einem plötzlichen Anfall von Zuversicht packt ihn die
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