Es geht uns gut: Roman
und ihm zu beweisen, daß sie recht hat und ihr Recht durchzusetzen weiß. Johanna will weiter. Er will bleiben. Er will in diesem Bett bleiben. Er will auf der Vortreppe bleiben. Er will den Schotter des Vorplatzes und Johanna riechen. Er will nicht weg, nein, er will nicht. Herr, der du die Herzen der Könige wenden kannst: Meines, bitte, wende nicht.
Philipp streckt die Arme über die ganze Breite der Matratze aus und ist dabei seltsam erleichtert und verängstigt zugleich, weil Johanna noch hier ist. Nicht neben ihm, aber in der Küche. Von dort hört er Rudimente ihrer Stimme und ihr gedämpftes Lachen, ab und zu unterbrochen vom Gurgeln der Spülmaschine und dem Rhabarber-Rhabarber einer tieffrequenten Stimme (Steinwald?), die von der Spülmaschine teilweise nicht zu unterscheiden ist. Das dauert ein paar Minuten. Dann schläft Philipp wieder ein.
Kurz vor sieben verlassen Steinwald und Atamanov das Haus, gut eine Stunde später folgt ihnen Johanna. Philipp begleitet sie bis zum Tor. Da ihre Haare naß sind und er sich bereiterklärt hat, ihr Fahrrad zu reparieren – froh, weil wenigstens dieser Morgen davon verschont bleibt, daß zehn Minuten lang ein Fön auf höchster Stufe kreischt –, hat Johanna sich ein Taxi bestellt. Sie ist gut gelaunt und vermeidet die Themen der hinter ihnen liegenden Nacht oder redet wenigstens geschickt drumherum. Während sie auf das Taxi warten, während der Seifenschaum in Philipps Ohren knistert, sagt sie, daß Steinwald einen sehr ordentlichen Charakter habe, er (Philipp?) im Prinzip auch, aber nur manchmal. Ob er (Philipp!) den tieferen Sinn kapiere. Fraglich. Steinwald sei in eine Friseuse verliebt. Die Friseuse singe in einer Frauenband, die ausschließlich Seemannslieder spielt, und die Lieder heißen Ahoi und Das Meer und Captain Ahab und –. Philipp fällt ihr ins Wort:
– La Paloma, Fährt ein weißes Schiff nach Hongkong, Die Gitarre und das Meer, Das ist die Liebe der Matrosen .
Er will anfangen zu singen: A-hoi! Die Welt ist schön und muß sich immer dreh’n. Aber Johanna kommt ihm zuvor, küßt ihn und sagt, daß es nett gewesen sei. Philipp besteht weder auf der Gegenwartsform noch auf einer näheren Erläuterung des Begriffs nett .
Johanna steigt in das Taxi. Das Taxi fährt davon.
Philipp bleibt auf dem Vorplatz stehen und hört widerwillig den Tauben zu.
Ein paar Tauben gehen weiter ihren sinnlosen Beschäftigungen nach: Gurren und mit den Krallen Blech Bearbeiten. Philipp schaut zur Dachrinne hinauf. Er zählt sieben Vögel, die sich lieber bei ihm als woanders aufhalten. Er fragt sich, warum warum warum. Es gibt doch nichts, was sie hier halten kann. Sie sollen einfach verschwinden. Die Welt ist schließlich groß, so heißt es, nach allem, was man hört. Er klatscht in die Hände:
– Sucht eine andere Unterkunft! Die Welt ist groß! So heißt es jedenfalls! Schleichts euch! Versteht ihr? Habt ihr verstanden?
Er ruft sehr laut und macht weitausholende Gesten in Richtung Stadt und Lainzer Tiergarten, wo die Wälder mit ihren halbzahmen Wildschweinen im dunstigen Morgenlicht stehen.
Aber er kann schreien und gestikulieren, soviel er will. Die Tauben unterbrechen nicht einmal ihr Gurren.
Donnerstag, 14. Juni 2001
Philipp repariert Johannas Fahrrad. Er stellt es auf den Kopf, dort, wo der große Abfallcontainer gestanden ist und jetzt nicht mehr steht, weil sogar bei ihm nichts Großartiges mehr wegzuwerfen ist. Während er sich denkt und sagt, was er Johanna alles fragen müßte und wie wenig er in der kurzen Zeit, wenn sie einander sehen, tatsächlich dazu kommt, ihr Fragen zu stellen, repariert er die Schäden am Fahrrad sehr gewissenhaft. Er wechselt die Bremsklötze, die Glühbirne des Rücklichts, verbessert die Position des Dynamos, fixiert die Lenkstange, zieht ein paar Schrauben an und ölt alles, was zu ölen ist. Er arbeitet sehr konzentriert, so daß er bereits nach anderthalb Stunden fertig ist. Zu früh für sein Empfinden, weshalb er das Fahrrad auch wäscht, wozu er den Gartenschlauch benutzt, den Steinwald und Atamanov schon mehrmals verwendet haben. Er wäscht auch sein eigenes Fahrrad. Er bewässert den Gemüsegarten. Wer weiß, was alles das Bedürfnis hat, aus der Erde zu schießen. Die Erde ist schon ganz rissig von der ständig herrschenden Hitze. Er stellt fest, der Sommer macht Ernst. Das Wetter ist so: Heulen möchte man.
– Wie töricht, geglaubt zu haben, es hätte anders kommen können, sagte der alte
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