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Es geht uns gut: Roman

Es geht uns gut: Roman

Titel: Es geht uns gut: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Geiger
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Kaiser rekonstruieren ließe, zu der Stanislaus Baptist wegen einer nützlichen Erfindung 1847 geladen worden wäre.
    Kaiser:
    So hat man sich ein Gewitter über einem meiner Kronländer vorzustellen?
    Stanislaus Baptist:
    Über Austerlitz, wo kaiserliche Hoheit von Gottes Gnaden König von Böhmen sind.
    Kaiser:
    Was allseits bekannt ist.
    Stanislaus Baptist:
    Verzeihung, Majestät. Dort beliebte am 22. Juli dieses Jahres ein heftiges Gewitter niederzugehen.
    (Kaiser gibt mit der Hand Zeichen zum raschen Weiterreden.)
    Stanislaus Baptist:
    Ein Blitz fuhr in die Telegraphenleitung Ihrer durchlauchtesten Majestät, und die so gefangene Elektricität pflanzte sich über viele Kilometer nach Wien fort, wo dies- und jenseits der Donau Kaiserwetter herrschte.
    Kaiser:
    Kurios, woher der liebe Herrgott das viele Wetter nimmt.
    Stanislaus Baptist:
    Die Leitungsdrähte sangen und knisterten wie sonst nie. Plötzlich wurden alle unbenutzten Apparate der Kaiser-Ferdinand-Nordbahn zu Wien, hierselbst, in Bewegung gesetzt, mit lautem Knallen sprangen kräftige Funken zwischen den Metallteilen der Bedienungstastaturen über, Drähte wurden zum Schmelzen gebracht, so daß der Gesang darin erstarb. Dem justament in Floridsdorf mit Telegraphieren beschäftigten Stanislaus Baptist Sterk, mir selbst, wurde ein so heftiger Schlag versetzt, daß er mit berganstehendem Haar vom Stuhl rücklings in einen offenen Schrank mit Akten flog.
    Kaiser:
    Oha! Oha! Er ist ein kräftiger Kerl, der Sterk. Man möchte nicht hinter ihm gestanden haben.
    (Kaiser lacht auf eine gönnerisch langsame Art, Stanislaus Baptist lacht mit seinem Kaiser, ebenfalls verhalten, als wolle er seinen Kaiser imitieren. Der Kaiser gibt mit Handgeste Zeichen zum Fortfahren. Stanislaus Baptist orientiert sich anhand eines mitgebrachten Merkblattes, das er aus seiner Weste zieht, über das weiter zu Sagende.)
    Stanislaus Baptist:
    Um solcherlei Gefahren von den Telegraphendiensten Ihrer Majestät in Hinkunft abzuwenden, hat besagter Stanislaus Baptist Sterk, ich selbst, eine Vorrichtung konstruiert, die imstande ist, die galvanische Elektricität, welche zum Telegraphieren sich herbeiläßt, den Apparaten zuzuführen, die störende Gewitterelektricität aber unschädlich in die Erde zu leiten.
    Kaiser:
    So hat sich der Stanislaus Sterk selbst zu einem Erfinder eines Telegraphen-Blitzableiters hochgeschwungen.
    Stanislaus Baptist:
    Auf der Basis, daß Gewitterelektricität lieber Unterbrechungen in der Leitung überspringt, als etwa durch sehr geringfügige Drähte sich fortpflanzt, während galvanische Elektricität auch der geringfügigsten metallischen Leitung folgt, so diese nur ununterbrochen ist.
    Kaiser:
    Bravo, bravo, lieber Sterk! Er ist ein tüchtiger Untertan, eine Zierde für das Vaterland!
    (Der Kaiser gibt seinem Sekretär Anweisung über drei Golddukaten zur Auszahlung an Stanislaus Baptist Sterk. Stanislaus Baptist Sterk empfängt die Dukaten mit untertänigstem Dank. Dann schiebt er sich rückwärts zur Tür, sich auf dem Weg dorthin vielfach in Richtung seines Kaisers verbeugend.)
    (Ende der Szene.)
    Obwohl er Freude an diesen Entwürfen hat, ist Philipp unsicher, ob sie ihm weiterhelfen. Vielleicht sind es ja doch nur Spinnereien, die sich auf nichts gründen, eine Art von bizarrem Wassertreten, nicht gänzlich passiv, aber auch nicht sonderlich produktiv. Oder destruktiv.
    – Alles Floskeln, die dich vor einer ernsthaften Auseinandersetzung bewahren sollen, sagte Johanna jüngst bei ähnlicher Gelegenheit.
    Beim Gedanken an Johanna fühlt Philipp sich unbehaglich. Er legt sein Notizbuch zur Seite und steht von der Vortreppe auf, um sich ein wenig abzulenken. Zunächst probiert er, ob ihm an der sehr stabil gebauten Teppichstange ein Hüftumschwung gelingt. Gelingt ihm nicht, obwohl er sein Bestes gibt. Lediglich das Blut schießt ihm in den Kopf. Er führt Klimmzüge aus, aber auch Klimmzüge bringt er nur sehr zapplige zustande. Fünf. Und als er seinen Körper inspiziert, nackt vor dem Garderobenspiegel Verrenkungen macht, muß er feststellen, daß an ihm nicht viel dran ist. Alles eine Frage der Betrachtungsweise, sagt er nach einer Weile und macht Liegestütze. Das ist ihm aber auch zu blöd, er läßt es wieder und vertritt sich die Beine ums Haus. Er zieht mit den Schuhen Spuren durch den Kies des Vorplatzes, in den die Auffahrt mündet und wo eine staubige Wärme aufsteigt. Er schneidet ein gutes Dutzend gelber und gelboranger Tulpen, die nach

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