Es geht uns gut: Roman
Katalonien, gelang es den nationalen Fliegern, die Stellungen der spanischen Bolschewiken mit Bomben erfolgreich zu belegen. Vittorio Mussolini, Sohn des Duce, auf Studienreise durch Deutschland. Abflauen der Hitzewelle in Österreich, vielfach wieder 30 Grad, von Westen her rückt langsam ein Störungsgebiet vor, Wien heiter bei 28, die Reihe der verbilligten Bedarfsgegenstände ist durch ein neues wichtiges Glied vermehrt, das Zündhölzchen, Salzburg, Erstaufführung des Figaro, Ezio Pinza bei seinem Trutzlied »Non più andrai« (farfallone amoroso, notte e giorno díntorno girando), da erloschen im Orchester und auf der Bühne …
Weiter dringt Richard in seiner Lektüre nicht vor, weil ein offener Steyr-Wagen in die Auffahrt biegt. Der Wagen rollt aus und kommt kiesknirschend vor Ottos Tretauto zum Stehen. Crobath, ein Studienkollege, den Richard seit Jahren nicht gesehen hat, steigt aus dem Wagen. Er trägt Uniform, dazu eine dieser adrett gescheitelten Frisuren. Und Richard? Mit Haaren, die von der Kapitänsmütze und dem Schlaf hinten kreuzquer verlegen sind, im Hemd und in ausgetretenen Segeltuchschuhen. Auf Crobath zustrebend, vom warmen Grasgeruch in den Kiesstaub, nimmt Richard sich vor, Alma zu bitten, ihm neue Schuhe von derselben Art zu besorgen, am besten gleich zwei Paar.
– Man hat mir gesagt, daß ich Sie zu Hause antreffe.
Crobath redet ein wenig durch die Nase, auf die gut wienerische Art, was Richard dran denken läßt, daß Crobath, als sie gemeinsam beim Alpenverein waren, sich als Eislauflehrer am Heumarkt verdingte, um seine magere Menage aufzubessern. Damals hinkte Crobath in allem nach, ein Mensch mit einem nichtssagenden Gesicht, den Richard immer ein wenig verachtete. Doch wenn Richard ihn sich jetzt ansieht, muß er zugeben, daß sein Gegenüber in seiner Kantigkeit vitaler und um Jahre jünger wirkt als er selbst.
Haben sie einander damals gedutzt?
– Ich hoffe, ich störe nicht, sagt Crobath.
– Ich bitte Sie. Was kann ich für Sie tun?
Er legt Crobath wie prüfend die Hand auf die gepolsterte Uniformschulter. Nach weiteren Höflichkeitsfloskeln für Alma, wendet Crobath sich wieder an Richard mit der Bitte um ein Gespräch unter vier Augen.
– Ist es etwas Wichtiges? fragt Alma, die Arme gekreuzt, eigenwillig noch darin.
– Es ist keine große Sache, sagt Crobath. Aber es klingt wie das Gegenteil.
– Bitte sorg dafür, daß wir nicht gestört werden. Frieda soll Kaffee bringen.
Gleichzeitig rätselt Richard, welchem Anlaß der Besuch zu verdanken ist, ob es mit dem vortägigen Treffen in Ratzersdorf zu tun hat. Er mustert Crobath, was der bloß wollen kann. Das beste wird sein, sich mit Reden zurückzuhalten, wo es geht. Einen ruhigen Eindruck will er erwecken. Bloß keine Unsicherheit zeigen. Doch tritt er voraus in die Pergola, wo verandaseitig der Sommertisch steht, sogar mit Blumen darauf, zu steif, er bewegt sich zu steif, mit zurückgeschmissenen Schultern, als müsse er Haltung demonstrieren. Die Männer setzen sich. Richard rechnet damit, daß Crobath zur Einstimmung an entlegener Stelle beginnen und ein paar Geschichten aus der Studienzeit hervorkramen wird, um sich dann dem eigentlichen Gegenstand zu nähern. Doch nach kurzen Bemerkungen über Otto, den sie aus der Pergola vertrieben haben (wie ähnlich der Bub Richard sehe, das halte die Familie zusammen), und über ein Thema von allgemeinem Interesse (wie grundlegend und vorteilhaft sich die Lage in den vergangenen Wochen verändert habe), steuert Crobath auf den Punkt zu: Die anhängige Klage gegen die Wach- und Schließgesellschaft sei eine lächerliche Sache, wenn man die äußeren Umstände bedenke. Denn, wie Crobath fortfährt:
– Es müssen alle mit ins Rad greifen.
Vor Antritt seiner Dienstreise hat Richard über einen ihm bekannten Rechtsanwalt bei der Wach- und Schließgesellschaft eine Schadensersatzzahlung anmahnen lassen. Für den Fall weiterer Säumigkeit wurde mit Klage gedroht, diese ist aber keineswegs, wie Crobaths Äußerung vermuten ließe, bereits eingereicht.
– Wieso lächerlich? fragt Richard: Die Wach- und Schließgesellschaft hat bisher nur mit Manövern von sich hören lassen, Ausflüchte versucht oder auf Anfragen erst gar nicht reagiert. Laut Vertrag ist ein Schaden, wenn sich keine Einigung erzielen läßt, binnen sechs Monaten gerichtlich einzufordern. Dieser Schritt ist angebahnt. Ich sehe darin einen normalen Vorgang in Anbetracht der Signale, daß die Wach-
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