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Es geht uns gut: Roman

Es geht uns gut: Roman

Titel: Es geht uns gut: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Geiger
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schwärmt, daß Kraftakte geleistet werden, lehnt Richard sich zurück, als biete sich ihm so der bessere Überblick, um alles noch mal zu überdenken. Er überdenkt seine guten Gründe , er versucht sich darin, Crobaths Argumente mit seinem Dilemma abzugleichen und auf diesem Weg zu einer Lösung zu gelangen: Daß wenig Aussicht bestehe, die tückische Regelmäßigkeit der Umstürze werde auch in Zukunft anhalten und Crobaths Parteigenossen nur einige Wochen bleiben, und daß es insofern angebracht wäre, sich mit den neuen Herren gut zu stellen, das wäre nur natürlich. Er, Dr. Richard Sterk, ist keiner, der sein Zeitalter überragt, er hätte ein bißchen Ruhe verdient, findet er.
    Crobath, als halte er mit Richards Gedanken Schritt (wie bei einem Aufmarsch, Schritt für Schritt), appelliert ebenfalls an Richards Einsicht, Richard werde sich andernfalls in etwas hineintheatern.
    – Sie täten gut daran, es nicht auf die leichte Schulter zu nehmen.
    – Das tue ich keinesfalls.
    – Sie wären gut beraten.
    Aber weil er ja nie das richtige Gespür hat, weiß Richard trotzdem nicht. Er würde was drum geben, sich mit Alma besprechen zu können. Wenn man es richtig anfassen würde. Wenn man wüßte, in welche Richtung das alles gehen, was geschehen wird. Es ist nicht ganz einfach, die Wirklichkeit einschätzen und sich festlegen zu müssen, obwohl die Umstände, die man sich wünscht, im Angebot nicht geführt werden.
    Crobath warnt:
    – Sonst kommt eines Tages die Reue, und nicht vielleicht, sondern bestimmt.
    – Gut, ich will es mir zu Herzen nehmen, räumt Richard ein im normalsten Tonfall, zu dem er noch fähig ist. Doch im gleichen Atemzug weiß er, daß er den Teufel tun wird. Die Intimitäten mit dem Kindermädchen haben ihn, was Inkorrektheiten anbelangt, an die Grenze seiner Belastbarkeit geführt. Wenn er jetzt auch dieser Verlockung nachgibt. Wenn ihn der gesteigerte Zulauf, den die Bordelle und somit die Wäschegeschäfte verzeichnen, darüber hinwegtröstet. Da könnte er ebensogut im Garten eine Grube ausheben, Wasser einlassen und sich vor aller Welt im Dreck suhlen. Ihm reicht’s. Er sagt sich, hätte der Einmarsch bloß zwei Wochen früher stattgefunden, wäre er auf das Kindermädchen niemals zugegangen, soviel steht fest. Er hat keine Begabung für die Unordnung, und diese Begabung wächst auch nicht heran, nicht bei ihm, das sieht er ein. Jetzt muß er, was nie hätte beginnen dürfen, so rasch als möglich beenden.
    Er hat sogar eine grobgefaßte Idee, wie er vorgehen will: Ganz egal, wozu die Wach- und Schließgesellschaft sich im letzten Moment durchringt (aber durchringen wird sie sich müssen, und sei es, daß der sachverständige Erweis erbracht wird, daß an besagten Tagen die Sonne doch nicht geschienen hat): Er wird sein Geld aus dem Geschäft herausnehmen und so die Löschung der Protokollierung im Handelsregister erzwingen. Dr. Kranz vom Landesgericht für Handelssachen ist ihm einen Gefallen schuldig, so kann Richard mit einer raschen Erledigung rechnen. Seiner Einschätzung nach wird Alma die Neuigkeit nicht gerne hören, aber Almas Mutter ist ständig mit der Pflege ihres Mannes eingespannt, weshalb sich auch die Einteilung von Almas Zeit als andauernde Misere gestaltet. Hingegen, wenn Alma in Zukunft zu Hause bliebe, würde das Kindermädchen verzichtbar. Das wäre Richard sehr recht. Die Hosen sind schnell wieder hochgezogen. Und das Ganze würde ihm eine Lehre sein.
    Er holt tief Atem. Die Vorstellung, daß es wenigstens daheim wieder ruhiger werden wird, erscheint ihm bereits wirklicher als nur gedacht und läßt ihn sich einen Moment lang stark fühlen. Crobath trinkt den letzten Schluck seines Kaffees. Richard will nachschenken, doch Crobath, Hand über der Tasse, schlägt das Angebot mit der Begründung aus, daß es Zeit geworden sei. Crobath blickt über den Garten, Richard folgt dem Blick. Der dunkle Kirschbaum, dahinter ein gut tragender Birnbaum, an dem die Schaukel jetzt reglos hängt inmitten gelber Sonnensprenkel. Dann die Mauer zu den Nachbarn, die nach London gehen.
    Erst auf den zweiten Blick wird Richard gewahr, daß Crobaths Aufmerksamkeit Otto gilt. Der Bub stolziert über den Mauerkamm, weiß der Himmel, wie er wieder hinaufgekommen ist. Als Otto bemerkt, daß die Männer zu ihm herübersehen, ruft er:
    – Sie haben den Rasen mit Teppichen ausgelegt!
    Ottos weit auseinanderliegende Augen, die er von seiner Mutter hat, spähen nochmals zu den Nachbarn,

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