Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Es geht uns gut: Roman

Es geht uns gut: Roman

Titel: Es geht uns gut: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Geiger
Vom Netzwerk:
bequemere Stellung. So gut es mit dem verletzten Arm geht, wickelt er sich gleichzeitig enger in die Wehrmachtsdecke, die er vor Ablegen des Schiffes von einem der ukrainischen Soldaten erhalten hat. Er schaut in den Himmel, wohin die Toten gehen und an dem nach wie vor kein Lichtschimmer ist. Nur noch Geräusche nimmt er wahr, die scheinen ebenfalls ein Teil dieses schier unerschöpflichen Dunkels zu sein: das Tuckern der gegen die Strömung ankämpfenden Maschine, dem der Oberarm einen Resonanzraum bietet, und in den Nieten und Nähten der Spanten ein geheimnisvolles Knacken, das sich ebenso unregelmäßig wiederholt wie der gurgelnde Wellenschlag des vom Bug zerteilten Wassers. Manchmal das tönende Hallen von Schritten der in schmutzsteife Mäntel gehüllten Soldaten, die Wache halten und mit rastlosen Augen ins Nichts spähen. Dann und wann Kolbenschläge, wenn dieselben Soldaten ihre Gewehre absetzen, nicht minder hallend, ganz nah an Peters Ohr, als wäre die Welt hohl wie eine Teedose.
    Auf der Donau, die gerade eine weite Biegung macht, beginnen die Spuren (des Krieges) sich bereits wieder zu verwischen.
    Das Kielwasser glättet sich.
    Die Orientierungstafeln, die aus den Straßen Niederösterreichs entfernt werden, damit sich die Rotarmisten in diesem heillosen Land verirren, sinken auf den kiesigen Grund.
    Die zaundürren, mit gestreiften Pyjamas bekleideten Häftlinge, die in tagelangen Märschen das Donauufer entlang nach Westen getrieben und, wenn sie erschöpft niedersinken, von Mitgliedern der Ortsgruppen erschossen werden, läßt man ebenfalls verschwinden.
    Die Donau rauscht vorüber, das Meer wird nicht voller.
    Letzten Endes.

Mittwoch, 2. Mai 2001
    Die Arbeiter, die Johanna ihm vermittelt hat, kommen in einem neuen, knallroten Mercedes, tragen aber Kleider, die von Farb-, Mörtel- und Ölflecken imprägniert sind, so daß sich die Frage, ob die beiden sich in der Einfahrt geirrt haben, erübrigt. Philipp stellt sich ein paar Fragen der naheliegenden, nicht vorurteilsfreien Art, bleibt nach außen hin aber gelassen und auf der Vortreppe sitzen, bis die Männer zu ihm getreten sind.
    Die beiden sehen aus wie eine verspätete Illustration zum Tag der Arbeit: Der Ältere mittelgroß, pickelnarbig und kräftig, mit einem zu kleinen, braunen Hut. Der andere ebenfalls mittelgroß, aber schmal gebaut, ein bißchen blaß, mit hängenden Schultern.
    – Steinwald, sagt der mit dem Hut.
    – Atamanov, sagt der Blasse.
    Nach einem kieferverrenkenden Gähnen nebst unverhohlenem Blick auf die verdellten, betonverkrusteten Halbschuhe, die die Männer tragen, nennt auch Philipp seinen Namen. Dann erkundigt er sich, ob es wegen des Dachbodens sei.
    – Ja, erwidert der mit dem Hut.
    – Habt ihr Gummistiefel? fragt Philipp.
    Wie nicht anders zu erwarten.
    – Mundschutz? will Philipp wissen und erhält abermals ein Kopfschütteln.
    – Wollt ihr behaupten, daß ihr die Folge, in der James Onedin eine Ladung Guano aufnimmt, versäumt habt? In Südamerika, auf den Galapagosinseln, im Freien, am Meer! Was glaubt ihr, wie das erst auf meinem Dachboden –?
    Aber der Schwarzarbeiter mit dem Hut, Steinwald, drückt sich an Philipp vorbei ins Haus.
    – Werden das Kind schon schaukeln, gestatten.
    Der andere, Atamanov, folgt wie aufgezogen.
    Philipp ist überzeugt, das war die erste Anweisung von Johanna.
    Die Gesichter der Arbeiter, nachdem sie die Tür zum Dachboden wieder geschlossen haben, kommentiert Philipp nicht, aber die Treppe hinunter geht wieder er voran, und dabei ist eins klar: Die Männer haben nichts dagegen, die Initiative wieder abzutreten, die sie kurzfristig ergriffen haben im fälschlichen Glauben, mit allem und jedem fertig zu werden. Philipp dirigiert die beiden zum Küchentisch, und während in der gluckernden Kaffeemaschine Wasser zu Dampf wird und sich wieder verflüssigt, sticht Steinwald, der Ältere, den rechten Zeigefinger gegen die Tischplatte und zählt auf, was zusätzlich zu den Gummistiefeln und Atemmasken unerläßlich sei:
    – Handschuhe, Schutzbrillen und – und – ein Hochdruckreinigungsgerät.
    Philipp schneidet Brot, öffnet den Kühlschrank, inspiziert seine Bestände. Er trägt auf, was da ist, Brot, Butter, Honig (Jg. ’96), frische Milch. Er setzt sich ebenfalls zu Tisch. Dort, kauend, kaffeeschlürfend, einigt er sich mit den Arbeitern, daß sie einkaufen fahren, während er, Philipp, zu Hause bleibt, Anrufe entgegennimmt und auf die Postbotin wartet, so seine

Weitere Kostenlose Bücher