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Es geht uns gut: Roman

Es geht uns gut: Roman

Titel: Es geht uns gut: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Geiger
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der anfänglich besorgte Ausdruck aus ihrem Gesicht. Sie sagt:
    – Es fehlt auch bei uns an allem. Ihr solltet besser schauen, daß ihr wegkommt.
    Sie legt ihre Hand in Peters Nacken, fährt über seinen Haaransatz und drückt kurz die Finger in seinen rechtsgeneigten Hals, wo eine pulsende Ader in den Kopf mündet. Peter spürt etwas Kaltes ins Gehirn rieseln, das sich dort eine Weile hält. Er hört sich von neuem sagen, ruhig, fast zu ruhig, mit eintöniger, gleichgültiger Stimme:
    – Wir können die Uniformen in die Weingärten –.
    Tante Susanne zieht ihre Hand zurück. Sie zuckt mit den Schultern, ihr Blick besagt dasselbe.
    – Unten liegt ein Schiff, Wlassow-Soldaten, die aus Angst vor Tieffliegern die Nacht abwarten zum Weiterfahren. Geht dorthin. Es heißt, sie wollen sich nach Westen absetzen, dort soll es auch vitaminmäßig besser sein.
    – Aber wenn wir die Uniformen und das ganze Zeug in die Weingärten –.
    Sie zögert nochmals und sieht Peter einen Augenblick lang an, nicht unschlüssig, mehr als wolle sie sich seiner Hartnäckigkeit vergewissern. Dann sagt sie:
    – Heil Hitler!
    – Heil Hitler! sagt auch der Onkel.
    Einen Moment lang stehen die Buben zögernd am Zaun. Schließlich entfernen sie sich mit geradeaus vor sich hinstarrenden Blicken, um einander nicht ansehen zu müssen. Die bezechten SS-Männer krakeelen Auf der Lüneburger Heide . Am Himmel schreitet die Eintrübung fort. Das tiefe Licht markiert die Kanten und Krümmungen der Landschaft mit dunklen Rändern. Unterstützt von dem mit Kohlenstaub gesättigten Rauch, in dessen Schutz sich Teile der Finsternis schon eingeschlichen haben, wird die Nacht leichtes Spiel haben.
    Krieg, ein paar Zahlen, Statistiken, Markennamen, Vorkommnisse (Effekte) und da und dort ein Ereignis, das nicht jeden betrifft.
    Dann liegt die Dunkelheit dichtgepackt auf der träge dahinrollenden Donau, auf den kaum noch zu erkennenden Ufern und Weinbergen, die sich über den verschrammten Frachter beugen. An manchen Stellen sind Himmel und Landschaft eine fest verklumpte Masse, es wirkt, als hätte der Krieg auch den Hügeln und dem Fluß eine Essenz entzogen, etwas Phosphoreszierendes, das ihnen in friedlichen Nächten Glanz verlieh. Wenn kurz das Mündungsfeuer eines Sturmgeschützes stiebt oder ein Leuchtspurgeschoß eine farbige Kerbe in den schweren Himmel reißt, geschieht dies offenbar in erster Linie zu dem Zweck, den Unterschied zwischen Hell und Dunkel zu definieren und das Dunkel hinterher desto kompakter zurückzulassen. Peter, der rücklings auf einem dünnen Strohsack an Deck der Alba Julia liegt, kommt es vor, als seien die über den Himmel schwenkenden Lichtsäulen einer fernen Scheinwerferbatterie nichts als überdimensionierte Scheibenwischer, die alles entfernen, was Licht speichern oder reflektieren könnte, jedes noch so kleine Partikel.
    Die Alba Julia ist ein rumänischer Frachter, der unter der Reichskriegsflagge stromaufwärts stampft. Die Besatzung besteht aus ukrainischen Soldaten, die auf seiten der Wehrmacht zuletzt in Budapest gekämpft haben. Die meisten Soldaten liegen wie Peter an Deck. Sie schnarchen, stöhnen und husten in so dichten Intervallen, daß die Laute zu einem regelrechten Chor zusammenfinden. Auch der andere Hitlerjunge schläft schnarchend, unmittelbar neben Peter. Wie lange schon? Peter könnte es nicht sagen. Inmitten dieser Schwärze läßt nur die Erfahrung darauf schließen, daß es irgendwann wieder Tag werden wird.
    Mit weitoffenen Augen starrt Peter in die kalte Finsternis. Bilder ziehen in regelmäßiger Wiederholung an ihm vorüber, drehen sich in seinem Kopf wie ein Brummkreisel, wie auf einer Walze. Er denkt: Wie in einem Wunderzylinder, diesen Dingern, von denen er vor Jahren eins im Foyer des Apollo-Kinos gesehen hat. Das Gerät bestand aus einem etwa einen Meter weiten, hohlen, sehr leicht drehbaren Blechzylinder, der in gleichen Abständen schmale Schlitze aufwies. An der Innenseite des Mantels waren gezeichnete Figuren so eingelegt, daß man sie bei mäßig rascher Rotation durch die Spalten der Zylinderwand hindurch in einer zusammenhängenden Bewegung erblickte. Peter erinnert sich an eine dieser Bilderfolgen, einen Mohren, der, seines Kopfes überdrüssig, diesen abnahm und ihn nach einigem Zögern seinem Nachbarn lieh.
    Ähnlich (mißmutiges Betasten des Kopfes, das Anzeigen von Interesse an dem Kopf durch den Nachbarn, das Abnehmen des Kopfes und die Übergabe desselben) folgen

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