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Es geht uns gut: Roman

Es geht uns gut: Roman

Titel: Es geht uns gut: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Geiger
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Geburtstag im Frühling des Vorjahres.
    Und die ungeheizten Schlafzimmer im zurückliegenden Winter, als das Wasser die Wände hinabrann. Der Weihnachtsbaum im Wohnzimmer. Auch dort war nicht geheizt, und die wenigen Kekse am Baum lösten sich am zweiten Feiertag in der Feuchtigkeit auf. Sie tropften buchstäblich vom Baum.
    Und die Weigerung der kranken Mutter, sich bei jedem Alarm in den Keller tragen zu lassen.
    (Sie hatte am ganzen Körper Hautblutungen, blaue, fast schwarze Flecken, obwohl man die Mutter nur mit größter Vorsicht anfaßte. Sie argumentierte, indem man sie in den Keller trage, könne man sie nicht retten, aber umbringen. Und zwischen Rettungslosigkeit und Quälerei wählte sie die Angst. Während es pfiff und krachte, blieb sie in der Wohnung liegen und schrie aus Leibeskräften. Endlich der Mühe enthoben, Rücksicht auf die Kinder nehmen zu müssen, schrie sie gegen ihre nicht enden wollende Angst, gegen die drohende Vernichtung an: Eine Sirene, die den minderjährigen Meldeläufern, die in der Straße unterwegs waren, einen Schrecken fürs Leben einjagte und die hinterher erholt wirkte; wenn man von Erschöpfung erholt wirken kann. Nach den Angriffen schlief die Mutter meistens rasch ein.)
    Noch ein Bild: Wie ihm die Mutter zum Abschied mit ihrem Kamm die Haare sauber scheitelte (das mochte er nicht) und wie er dabei in ihrem Lächeln die Gesichtszüge von einst wiedererkannte (das mochte er sehr; wer wünscht sich nicht, daß seine Mutter so bleibt, wie sie ist?).
    Und noch eins, das sich ganz ans Ende flickt: Wie dieser Hitlerjunge, der sich ihnen am ersten Tag der Schlacht angeschlossen hatte, versuchte, auf ihn zuzugehen, während er seine Eingeweide mit den Händen am Austreten hinderte. Mit diesem einäugigen Blick, der sagen wollte: Das könntest auch du sein.
    Und dann die Reihe wieder von vorn: Achtzehn oder vierundzwanzig oder sechsunddreißig Bilder, die im Kreis herum eine Geschichte erzählen, manchmal in falscher Anordnung (so daß nicht ganz klar ist, ob der Mohr seinen Kopf tatsächlich hergeben will), aber immer dieselben Bilder, die sich zu Peters fünfzehnjährigem Leben zusammenfügen, als wäre es eine runde Sache.
    Das Bild, das er am liebsten mag, zeigt etwas Harmloses: Er und seine um zwei Jahre ältere Schwester Hedi am Ziegelteich, wo sie im Sommer Lehmrutschen bauten. Wie er mit viel Anlauf und in hohem Bogen, von den vorangegangenen Rutschpartien bereits mit Striemen am Rücken, in die Lehmrinne springt, in die Hedi gerade einen Eimer Wasser geschüttet hat.
    Und das Bild, das er am wenigsten mag, etwas ebenfalls Harmloses, nichts jedenfalls, von dem man sagen könnte, wie hinterhältig, gemein oder brutal: Wie er neben der kranken Mutter von einer Ecke in die andere und schließlich an den Rand der Familie geschoben wird, weil er nur Arbeit macht und niemandem eine Hilfe ist, selbst wenn er sich nützlich machen will.
    (Als die einzige Männersache, nämlich die Mutter in den Keller zu tragen, gestrichen war, stand Peter überall im Weg, vor allem seit die Schule geschlossen hatte. Oft beneidete er seine Schwestern, die durch hauswirtschaftliche Ertüchtigung im Rahmen des BDM im Vorteil waren, die geschickter und entschlossener vorgingen und zweckmäßiger dachten: Wenn sie der Mutter Niveacreme auf die trockenen Lippen streichen durften und ihr nebenher, als wäre es nichts, wie zufällig das strähnige Haar aus der Stirn schoben, um die Stirn zu befühlen. Oder wenn die Mutter eines der Mädchen bat, ihr ein Kissen in den Rücken zu schieben, damit ihr das Atmen leichter falle, oder wenn sie jemanden brauchte, der ihr die kalten Füße rieb: Da blühten die Mädchen auf, waren wie ausgewechselt, weil sie nicht länger dastehen und ihre Verlegenheit verbergen mußten. Ihn aber, der gleichfalls einbezogen werden wollte, bat man um nichts. Er wurde allenfalls als kompetent für Gänge außerhalb angesehen. Und dann erwartete die Mutter, daß er, von diesen Gängen zurück, ihre Hand hielt und erzählte. Aber er hatte nichts zu erzählen angesichts dessen, daß die Mutter starb.
    – Erzähl, wie ist es draußen, Peter.
    – Da ist nichts Besonderes, alles wie immer.
    Kaum schaute die Mutter weg, machte er sich unsichtbar oder schlich wieder aus der Wohnung. Als er seine Einberufung zum Volkssturm erhielt, war das der Befehl, auf den er seit Wochen gewartet hatte.)
    Mit einem Mal vergißt er das alles und freut sich, daß er noch am Leben ist. Er sucht eine

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