Es geht uns gut: Roman
hören.
Immerhin läßt sich Frau Puwein zu einem Besuch überreden, eine Freundin seiner Großmutter, die Ende April eine Porzellanfigur abholte, die ihr Alma Sterk versprochen hatte. Frau Puwein bringt einen Herrn Prikopa mit, einen achtzigjährigen Mann mit einem einzelnen weißen Haarbusch auf der Stirn und großen, wäßrigen Augen. Herr Prikopa ist es, der alterstrübe Fotos von Philipp, Steinwald und Atamanov macht (a little out of focus). Es gelingt Philipp, Steinwald und Atamanov dazu zu bewegen, ebenfalls in ihre Gummistiefel zu schlüpfen. So posieren sie, die Gesichter gespannt dem Fotoapparat zugekehrt und in die Abendsonne blinzelnd, als stünden sie in einem nicht aufhörenden Blitzlicht nur mühsam stramm, vor dem Haus, vor dem Abfallcontainer und neben dem Podest des verschwundenen Schutzengels (wo die an den Sandstein gedrängten Königskerzen bereits eine beachtliche Höhe erreicht haben). Zuletzt lassen Philipp und seine Gehilfen sich im offenen Dachbodenfenster fotografieren, die Köpfe zusammengedrängt, Arme über den Schultern, mit wesentlich überzeugenderem Lächeln als noch im Garten. Die Gesichter der Männer haben beim Treppensteigen ein paar Schalen abgelegt, mindestens Philipps Lächeln kommt von Herzen. Vorübergehend versöhnt er sich sogar mit den Tauben, die sich weiterhin in der Nähe aufhalten, auf der Dachrinne und am Giebel.
Eine der Tauben fliegt auf.
– Abdrücken! ruft Philipp Herrn Prikopa zu.
Herr Prikopa dreht sich verwirrt im Kreis. Dann läßt er die Kamera sinken und sieht so ratlos aus seinen großen, wäßrigen Augen zum Dachbodenfenster hinauf, daß Philipp lachen muß. Auch den Moment von Philipps Lachen versäumt Herr Prikopa. Philipp trommelt wie wild mit der Faust auf das zerfurchte Fensterbrett und ruft Herrn Prikopa Anweisungen zu, bis sich der Ärmste gar nicht mehr auskennt. Herr Prikopa zieht seine Anzugjacke aus, reicht sie Frau Puwein in deren schon ausgestreckte Linke, holt ein großes weißes Taschentuch aus seiner Hose hervor und wischt sich ächzend den Schweiß von der Stirn.
Später ziehen ein paar Sterne auf, damit sich die Schiffe auf der Suche nach den Inseln im Süden der Dinge orientieren können. Philipp legt Koteletts auf den Grill und stößt mit seinen Gästen an. Das abtropfende Fett verzischt in der Glut. Philipp ist unbeschwert und ruhig. Er versucht seine Gäste mit Späßen zum Zulangen zu animieren, und wenn ihm Frau Puwein oder Herr Prikopa Fragen stellen, nickt er freundlich oder sagt, er wisse von nichts, oder macht einfach nur vielsagende Gesten, die den Anschein erwecken, er hole innerlich Anlauf, um dann, bei der Antwort angelangt, mit um so größerer Entschlossenheit zu sprechen. Doch meistens sagt er nichts.
Steinwald hingegen, der ein Bier nach dem andern trinkt, mit roten Backen wie eine Jahrmarktsfigur, wie ein Knödelfresser und Armdrücker, gibt Frau Puwein des langen und breiten Auskunft über alles, was sie zu wissen begehrt. Selbst über Philipps neue Kurzhaarfrisur äußert er sich Frau Puwein gegenüber wohlwollend. Dabei hat er bis dahin so getan, als hätte er diese Veränderung gar nicht bemerkt.
Nachdem Frau Puwein und Herr Prikopa gegangen sind, stehen Philipp und seine Gehilfen noch eine Weile im trüben Schein des Hoflichts, angestrahlt von der scharfen Wärme des Grills. Sie trinken weiterhin Bier, aber jetzt mit kleineren Schlucken. Sie stoßen zum sie wissen nicht wievielten Mal auf den Fortgang der Arbeit und die guten Geschäfte an. Im Glauben, einen günstigen Augenblick ausfindig gemacht zu haben, sagt Steinwald, daß er es für das klügste hielte, wenn er und Atamanov sich für die Dauer der Arbeiten, die noch zu leisten seien, in den leerstehenden Zimmern des Obergeschosses einrichten würden:
– Platz ist ja genug vorhanden.
– Wie bitte? fragt Philipp, ganz so, als habe er Probleme mit dem Gehör.
Aber Steinwald, weiterhin überzeugt, daß das, was er vorzubringen hat, eine gute Idee ist, fügt gelassen hinzu:
– Dann müssen Sie uns für die Arbeiten, die wir am Abend erledigen, keinen Lohn bezahlen, und wir sparen Wohnungskosten, was vor allem gut ist für Atamanov und seine Hochzeit.
Philipp nimmt einen kräftigen Schluck. Er überlegt, was die beiden von ihm wollen. Wenn er sich recht entsinnt, sind sie Abgesandte Johannas, und aus Johanna wird er nicht klug, oder anders (komplizierter): Er begehrt sie mehr, als er sie versteht.
Er beäugt Steinwald von der Seite und
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