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Es geht uns gut: Roman

Es geht uns gut: Roman

Titel: Es geht uns gut: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Geiger
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sagt:
    – Der Boiler reicht nicht für drei.
    Dazu macht er das passende Gesicht.
    – Wir duschen kalt, entgegnet Steinwald.
    Atamanov nickt bedeutungsvoll, als verstehe er jedes Wort, was Philipp, er weiß selbst nicht warum, derart beschämt, daß er ebenfalls nickt.
    Sie schweigen eine Weile.
    Philipp liegt dann lange wach. Geräusche rasseln rings um ihn herum. Die Fußböden knarren, wie er es eigentlich nicht für möglich gehalten hätte. Einmal hört er, wie sich die Dachsparren in einem langanhaltenden Stöhnen Platz verschaffen, das mutet an, als schaukle ein hölzerner Wagen, mit dem Philipp verreist, auf unruhiger Straße kurz vor dem Auseinanderbrechen. Ständig wacht er auf, dreht die Bettdecke auf die trockene Seite und fürchtet sich.
    In dem geräumigen, ein wenig heruntergekommenen Haus mit seinen halbleeren und leeren Zimmern.

Donnerstag, 31. Dezember 1970
    Sie weiß auch nicht, warum die Leute in der Nacht sterben. Sie selbst ist in der Nacht immer wie erschlagen, da kann sie sich nicht konzentrieren und richtig mitarbeiten. Außerdem erfaßt sie den Schrecken, wenn so ein Leben zu Ende geht, in der Nacht besonders gut, während tagsüber eine gewisse Gelassenheit bleibt. Sie mag die Nacht nicht sonderlich. Bei Tag ist alles schöner.
    Ingrid ruft bei Frau Grauböck zu Hause an, es nimmt niemand ab. Doch zehn Minuten später kommt ein Anruf von Herrn Grauböck, ob etwas sei. Nachdem Ingrid ihn über den schlechten Zustand seiner Frau informiert hat, fragt er, ob er mit den Kindern kommen dürfe.
    Rasch schieben die Schwestern die anderen Patientinnen auf den Gang und wiegeln deren neugierige Fragen ab. Im Stationszimmer findet Ingrid zwei Sträuße übriggebliebener Blumen, die sie in das Zimmer zu Frau Grauböck stellt. Die Atmung von Frau Grauböck ist jetzt feucht und rasselnd, als drücke eine ungeheure Last auf den Brustkorb. Ingrid saugt der Sterbenden den Rachen ab, gibt ihr eine letzte subkutane Dosis Morphium. Sie kippt vorsorglich das Fenster, damit es nicht allzusehr riecht.
    Der Tod, eine knappe Stunde später, wird dadurch nicht verdaulicher. Die düsteren Zeremonien (rund ums Bett knien, Kerzen anzünden, das Psalmodieren von Sätzen im Konjunktiv der Vergangenheitsform) setzen Ingrid auch diesmal hart zu. Und dann eine zyanotische, fast schwarze Leiche, wie auch Ingrid noch nie eine gesehen hat, und das Zusammenbrechen der Angehörigen, als hätte der Herzschlag der jungen Frau mehr als nur ihren eigenen Körper in Gang gehalten. Schwester Gitti kümmert sich um den Mann, einen kleinen Beamten mit krausen Haaren. Ingrid nimmt sich der Kinder an, die neun, zehn und vierzehn sind. Es ist erschütternd. Alle heulen. Und obwohl das erfahrungsgemäß besser ist als das Betäubtsein, das dann wochen- und monatelang anhält, geht es Ingrid so nahe, daß auch sie weinen muß. Sie liegt sich mit der älteren Tochter von Frau Grauböck in den Armen, bis sie beide wieder ruhiger sind. Ingrid holt mehrmals tief Atem, es ist, als sei sie heftig gerannt. Dann schickt sie die Angehörigen hinaus, damit sie die Formalitäten erledigen kann. Sie leuchtet der Toten in die Pupillen, die trüb und entrundet sind, prüft mit dem Stethoskop die Herzaktion, dabei hat sie die Augen geschlossen, um sich besser zu konzentrieren. Wie meistens hört sie auch diesmal nicht nichts, sondern dumpf die Geräusche draußen vom Gang, die im stillen Körper der Toten widerzuhallen scheinen; was ein wenig gespenstisch ist, beunruhigend und tröstend zugleich, aber auch gespenstisch . Ingrid veranlaßt den Transport der Leiche in den Keller. Sie redet nochmals mit Herrn Grauböck, der sich vielmals für Ingrids Engagement bedankt. Um halb fünf, nach anderthalb Stunden auf vorgeschobenem Posten, als die Angehörigen nach Hause gefahren sind, kann auch Ingrid sich ins Schwesternzimmer verziehen und um einen Kaffee bitten. Sie zündet sich eine Zigarette an, rutscht am Stuhl so weit es geht nach vorne und streckt die Beine aus. So sitzt sie, trinkt, raucht, starrt geradeaus auf die Wand und horcht auf das kratzende Geräusch der Füllfeder von Schwester Bärbel, die ihr Tagebuch schreibt. Auf dem Gang die schlurfenden Schritte eines Patienten, der seine senile Bettflucht auslebt, und geraume Zeit später die quietschenden Räder am Karren der Putzfrau, die kommt, um den Boden feucht aufzuwischen. Ingrid fällt auf, das Gebläse im Schwesternzimmer ist total laut.
    Von fünf bis sieben schläft Ingrid. Zuletzt träumt

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