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Es geschah im Nachbarhaus - die Geschichte eines gefährlichen Verdachts und einer Freundschaft

Es geschah im Nachbarhaus - die Geschichte eines gefährlichen Verdachts und einer Freundschaft

Titel: Es geschah im Nachbarhaus - die Geschichte eines gefährlichen Verdachts und einer Freundschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
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weglaufen. Weit weg. Nach Berlin oder in eine andere große Stadt. Niemand weiß, dass ich Jüdin bin. Ich sehe aus wie alle andern Mädchen. Meine Augen sind so blau, wie irgendwelche Augen es sind. Die einzige Braunhaarige in der Familie bin ich. Sigi, ja, der, dem sieht man den Juden an. Wie Vater. Aber bei mir würde keiner draufkommen. Waldhoff. Ein unverdächtiger Name. Manchmal denkt man so etwas. Mutter ist vielleicht noch am ehesten eine Heldin. Keinmal hat sie geklagt. Nie hat sie Vater Vorwürfe gemacht. Selbst den Nachbarn ist sie nicht böse. Nur traurig ist sie. Wie schwer ihre Lider geworden sind! Ich werde zu Gerd hinübergehen. Diesen Kessel hier hat er mir geschmiedet. Damals habe ich es zum ersten Male gemerkt. Er hat mich lieb. Ich wusste es, lange bevor er es selber wusste. Kleiner Kessel. Das kann er mir gar nicht angetan haben, was sie von ihm erzählen. Er ist mit mir durch die Stadt gegangen. Die Jungen haben hinter uns hergepfiffen. Gestern zwar nicht. Vielleicht hatte er gestern keinen Mut. Ach, das Kissen von Tante Judith. Mein erstes Stück für die Aussteuer. Ich war damals zwölf. Oder dreizehn? Ich hatte Mühe, die Enttäuschung zu verbergen. Viel lieber hätte ich eine Puppe bekommen. Tante Judith aus Neuß. Werden wir hier wegmüssen? Werden sie uns wegtreiben? Sie sind freundlicher geworden, seit gestern. Ich werde zu ihm gehen. Gleich. Jetzt. Ruth schloss den Deckel über ihren Schätzen. Sie band die Schürze ab. Vor dem Spiegel strich sie über ihr Kleid. Vergeblich versuchte sie, das krause Haar straffer nach hinten zu kämmen. Sie kämmte sich viel zu lange.
    Dann lief sie, sprang die Treppe hinab, sagte im Hinausgehen: »Ich muss zu Gerd«, und erst vor der Flügeltür zur Schmiede blieb sie stehen. Die Tür war geschlossen. Von drinnen klang der Hammer. Entschlossen drückte sie die Klinke nieder. Zuerst sah sie in der dämmerigen Schmiede nur das Feuer in der Esse. Doch ihre Augen gewöhnten sich an das schwache Licht. Gerd stand am Amboss. Erstaunt sah er sie an. »Guten Tag, Gerd«, rief sie ihm zu.
    »Wie kommst du hierher, Ruth? Du weißt doch, was wir abgemacht haben.« Sie schloss die Tür hinter sich.
    »Ich muss mit dir reden, Gerd. Es ist wichtig.«
    Er legte Hammer und Zange aus den Händen und rieb den Ruß weg. Sie ging zu ihm hinüber. Er hockte sich auf den Amboss und zog sie zu sich heran.
    »Komm mir nicht zu nahe, Schmied. Du hast ein rußiges Gesicht.«
    »Hoffentlich hat dich keiner gesehen, Ruth.«
    »Warum bist du so ängstlich? Sonst war es dir doch gleich.«
    »Ach, es ist nur deshalb, weil sie mir seit heute Morgen wieder Arbeit bringen. Stell dir vor, die Bäuerin hat die neun Töpfe wieder hergeschickt. Die Kleinmagd kam und stellte sie auf die Werkbank. Ich glaube, wir sind über den Berg.«
    »Wie kommt sie dazu? Vielleicht, weil Vater aus der Stadt ist?«
    »Wer weiß schon, was sie sich dabei denkt? Jedenfalls habe ich zum ersten Male seit Wochen wieder Töpfe geflickt. Endlich.«
    Sie spürte seine Freude. Sie konnte ihn nicht fragen. Jetzt nicht.
    »Aber die andere Zeit habe ich auch nicht vergeudet, Ruth.«
    Er strahlte sie an. »Du hast sicher auf Vorrat geschmiedet?«
    »Das auch. Aber ganz nebenbei habe ich für dich gearbeitet.«
    »Einen Wasserkessel, Töpfe, Pfannen? Ich freue mich schon darauf, dass wir sie bald gebrauchen können.«
    »Wasserkessel! Töpfe! Pfannen!« Er war entrüstet. »Das mache ich ja alle Tage. Nein, diesmal ist es nur für dich. Gestern ist es fertig geworden. Es war schon fast Nacht.«
    Er schob sie von sich und ging zur Werkbank. Im Regal stand eine blecherne »Hanseaten-Stolz«-Kaffeebüchse. Vor dem Schmiedefeuer blieb er stehen. »Gar nicht neugierig?«
    »Doch. Sehr.«
    Er reichte ihr die Büchse. »Du darfst sie erst öffnen, wenn das Feuer leuchtet.«
    Der Blasebalg blähte sich, Luft presste sich durch die Glut und entfachte das Feuer. Geschickt schob er mit einer kleinen Eisenschaufel ein paar ausgebrannte Aschenreste zur Seite. Blaue Flammen sprangen auf. »Jetzt.«
    Voll Ungeduld zog sie den Deckel von der Büchse. Er sprang ihr aus der Hand und schepperte auf den Ziegelboden. Mit Watte war der Innenraum ausgepolstert. Sie zupfte die weichen Flocken heraus und fasste endlich eine Kette. Sie hielt sie ans Feuer.
    »Eine Halskette! Wie herrlich!«
    Aus vielen winzigen Kupfergliedern und kleinen, polierten Schildchen war sie kunstvoll zusammengefügt. Rötlich glänzte und funkelte das Metall im Schein

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