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Es geschah im Nachbarhaus - die Geschichte eines gefährlichen Verdachts und einer Freundschaft

Es geschah im Nachbarhaus - die Geschichte eines gefährlichen Verdachts und einer Freundschaft

Titel: Es geschah im Nachbarhaus - die Geschichte eines gefährlichen Verdachts und einer Freundschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
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Groschen in den Geldbeutel und sagte: »Für uns zwei.« Klas gab ihnen zwei rote Karten, die ein Stückchen weiter von Jost halb durchgerissen wurden. Der Eisweg war glatt. An einigen Stellen stiegen zu beiden Seiten die Schollen mehr als mannshoch auf. Die Sonne stand schräg am Horizont. Das Eis funkelte kalt und blau. Sie gingen absichtlich langsam, um den Groschen voll auszukosten. In der Strommitte legte Karl seine Hand auf das Eis.
    »Fühl nur, Sigi, man spürt das Wasser tatsächlich. Es strömt und strömt.«
    Lange konnten sie die Hände nicht auf dem Eise liegen lassen. Die Jungen schlugen das Blut in die Fingerspitzen, damit sie wieder warm wurden. Allmählich ließ der Verkehr auf der Eisbrücke nach. Die Sonne sank tiefer, und tiefer und mit ihr schwand die Illusion von Wärme. Die Spaziergänger machten sich auf den Heimweg.
    Karl und Sigi verließen die Brücke und kletterten auf den Damm. Aber nicht Willem kassierte hier die Fünfer. Aus irgendeinem Grunde stand Mehlbaum da und verlangte blaue Karten für den Rückweg. Vom Damm aus konnten sie die Türme der Großen Kirche deutlich sehen und auch die grauweißen Tupfen der Dächer hoben sich aus der klaren Frostluft. Die Jungen schoben die Rückkehr immer wieder ein paar Minuten hinaus. Keiner getraute sich, Mehlbaum zu fragen, ob er sie einmal, ein einziges Mal ohne Geld über die Brücke gehen ließe. Gegenseitig versuchten sie, sich das Vorrecht zuzuschieben, die Frage auszusprechen. Sigi, der einsah, dass seinetwegen kein Geld mehr da war, meinte, Karl lebe in Frieden mit Mehlbaum und überhaupt, ihm, dem Judenjungen, würde wahrscheinlich niemand aus der ganzen Stadt, auf keinen Fall aber Mehlbaum, einen solchen Gefallen tun.
    »Wenn du nicht fragen willst«, sagte schließlich Karl, »dann müssen wir eben ohne Brücke über das Eis zurück.«
    »Warum eigentlich nicht?« Sigi wunderte sich, dass ihm nicht bereits eher dieser Gedanke gekommen war. Schlimm konnte die Kletterei nicht werden. Den dicksten Schollen gingen sie eben aus dem Weg. Sie liefen ein Stück stromauf, damit keiner sie zurückrufen konnte. Anfangs kamen sie gut vorwärts. Doch je mehr sie sich der Strommitte näherten, desto unwegsamer wurde das ineinandergeschachtelte Eis. Immer häufiger mussten sie auf allen vieren über die spitzen Eisblöcke klettern.
    »Ich spüre meine Hände und Füße schon gar nicht mehr«, klagte Sigi. Karl biss die Zähne zusammen. »Hätte ich doch nur gefragt«, knurrte er. Er schaute zurück. Sie hatten schon mehr als die Hälfte geschafft. Der Rückweg war bestimmt noch weiter.
    Sie erreichten eine riesige Scholle, die, leicht geneigt, fast zwei Meter tiefer lag als das Eisgebirge rundum.
    »Wir müssen hinunter«, sagte Karl. »Wenn wir erst unten sind, kommen wir ohne Mühe dreißig oder vierzig Meter weiter.«
    Vorsichtig ließen sie sich über die Kante gleiten und sprangen das letzte Stück hinab. Es wurde schnell dunkel. Eilig überquerten sie die Scholle. Ein helles Sirren klang auf im Eis. Darauf folgte Knattern, Donnern schließlich, und polternd stürzte eine Eisbarriere auf den Rand der Scholle. Sie zitterte, ächzte, aber splitterte nicht. Karl musste seine Hände zusammenlegen und sich mit dem Rücken gegen die Steilwand stellen, damit Sigi seine Handstufe und die Schulter als Leiter benutzen konnte. Dann reichte Sigi ihm die Arme hinunter und Karl versuchte hochzuklimmen. Zweimal glitt er ab, doch dann fassten seine Ellbogen die Eiskante. Er schaffte es.
    Sigi hob seinen Handschuh an und hauchte hinein. Seine Finger waren steif. Seine Zehen schmerzten. Er war ein wenig benommen.
    »Lass uns eine Pause machen und verschnaufen«, schlug er vor. Doch Karl drängte: »Los, weiter, weiter. Ich habe gehört, dass man erfrieren kann, wenn man sich setzt. Niemand findet uns hier. Los! Auf!«
    Er ging voran. Sigi folgte ihm nur widerwillig. Schließlich wurde er langsamer und langsamer.
    »Quatsch, Karl. Von einer kleinen Pause ist noch niemand gestorben. Ich setze mich einen Augenblick hin. Du kannst ja machen, was du willst.«
    »Es sind höchstens noch fünfzig Meter bis zum Ufer, Sigi. Mach bitte keine Rast. Es ist bestimmt gefährlich.«
    »Wenn du gefragt hättest, dann wären wir längst drüben«, murrte Sigi, aber es klang eher weinerlich als böse.
    Karl, der bereits einige Meter weiter vorn war, schaute sich um. Da setzte sich Sigi auf eine Eisstufe und blickte ihn herausfordernd an.
    »Das ist dein Tod, Sigi; los, auf! Lass

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