Es gibt kein nächstes Mal
oder, was noch schlimmer war, sie den ganzen Abend über ignorieren.
Die Anwaltskanzlei, die von Olivers Firma mit
der Vertretung von Fällen vor Gericht betraut wurde, veranstaltete jedes Jahr
eine Cocktailparty in Gray’s Inn Fields. Als Daisy dort eintraf tranken die
meisten Leute schon seit etwa einer Stunde Pimms. Daisy ging auf die Menschenmenge
zu und bemühte sich, in dem Meer von verschwitzten und geröteten Gesichtern
Bekannte zu entdecken. Warum, fragte sie sich, trugen Anwälte das ganze Jahr
über dieselben dunklen Anzüge aus schwerem Stoff? Die Abendsonne hob den Glanz
auf sämtlichen fettigen Kragen und Manschetten hervor, und die Hitze ließ eine
Art Dunst aufsteigen, der nach Rauch und Bier roch und die Versammlung
einhüllte. Einige der Männer wandten sich von ihren Gesprächspartnern ab, um
Daisy anzusehen, und ein junger Büroangestellter stieß einen bewundernden Pfiff
aus, täuschte dann jedoch einen Hustenanfall vor, als er erkannte, daß sie
nicht nur zufällig vorüberkam, sondern sich der Party anschloß.
Daisy trug ein Sommerkleid aus Knitterseide in
Schattierungen, die von dem kräftigen Orange der schmalen Träger auf den
Schultern bis zu dem leuchtenden Scharlachrot des Saums auf halber Wadenhöhe
reichten. Wenn sie darin herumlief, schimmerten die Farben wie eine Flamme. Sie
hatte keine Zeit gehabt, sich das Haar gründlich zu trocknen, und daher hatte
sie sich einen orangefarbenen Seidenschal um den Kopf gebunden, der die dunkle
Lockenpracht hinter ihren Ohren festhielt.
Ihr Aussehen schien in Ordnung zu sein, sagte
sie sich, denn Oliver, der gerade mit der einzigen Anwältin der Kanzlei geplaudert
hatte, ließ diese stehen, um auf Daisy zuzugehen und sie zu begrüßen. »Wenn die
Sonne von hinten auf dieses Kleid fällt, bleibt der Phantasie nicht mehr
allzuviel überlassen«, flüsterte er und legte voller Besitzerstolz einen Arm um
ihre Taille.
»Das macht doch nichts, oder?«
»Du siehst phantastisch aus.« Er küßte ihre
Wange, knabberte an ihrer Schulter und tat so, als äße er ihr nacktes Fleisch.
Daisy stand starr da. Sie versuchte, sich
einzureden, es sei ihr nur peinlich, daß sie vor einer Horde von verschwitzten
Wüstlingen öffentlich traktiert wurde, doch tief in ihrem Innern wußte sie, daß
sie sich seit dem Spaziergang in Blenheim von jeder Form von körperlichem
Kontakt mit Oliver abgestoßen fühlte. Sie glaubte nicht, daß er es schon
gemerkt hatte, doch es fiel ihr zunehmend schwerer, Lust zu heucheln, wenn jede
seiner Berührungen sie innerlich vor Ekel zurückzucken ließ.
Oliver führte sie zu dem langen Tisch, der auf
Böcken aufgebaut worden war und als Bar diente. Die weiße Damasttischdecke war
mit verschüttetem Rotwein überzogen. Daisy starrte das Muster an, da sie bemüht
war, sich auf etwas zu konzentrieren, ganz gleich, was es auch war, solange es
nur die Woge von Übelkeit vertrieb, die in ihr hochgestiegen war.
»Möchtest du den letzten Rest von dem Pimm
haben?« Er hielt einen fast leeren Krug hoch.
»Ja, warum eigentlich nicht?« Sie nahm das Glas
entgegen und leerte es mit zwei Zügen, und dann fischte sie mit den Fingern die
Minze heraus. Der intensive Geschmack der frischen Minze half ein wenig. Daisy
lächelte und hielt ihr Glas hoch, um sich nachschenken zu lassen. Oliver leerte
den Krug in ihr Glas.
»Ich glaube, ich habe einiges aufzuholen«, sagte
Daisy, die spürte, daß die Wirkung des Alkohols sie etwas lockerer werden ließ.
»Paß bloß auf. Das Zeug ist verdammt stark«,
erwiderte Oliver.
»Ja, das weiß ich«, entgegnete Daisy verdrossen.
»Oh, sieh mal, da ist Kathy. Wir sehen uns dann später.« Er war irritiert, als
sie ihn allein stehen ließ.
Kathy saß ein gutes Stück abseits von der
Menschenmenge auf einer hölzernen Parkbank. Sie hielt Alexander auf dem Schoß.
»Oh, hallo, Daisy.« Ihrer Sprechweise, sehr langsam und übertrieben bedächtig,
war deutlich zu entnehmen, daß das Glas Weißwein neben ihren Füßen nicht ihr
erstes war.
»Der Babysitter hat im allerletzten Moment
abgesagt«, fuhr sie fort, um die Anwesenheit des kleinen Kindes zu erklären,
und dann sah sie erst Daisys Kleid und gleich danach ihr eigenes an, einen
geblümten Baumwollkittel mit Essensflecken. »Ich bin nicht einmal mehr dazu
gekommen, mich umzuziehen.«
»Du siehst bezaubernd aus«, sagte Daisy und
setzte sich neben sie auf die Bank. Es stimmte tatsächlich. Madonna mit Kind,
von Laura Ashley, das war der Eindruck, der
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