Es gibt kein nächstes Mal
mal, ich bin ohnehin nicht sicher«,
sagte Daisy und erhob sich plötzlich. Warum hatte sie sich bloß in diese Lage
gebracht? »Ich sollte mich jetzt besser wieder unter die Gäste mischen.«
Dieses Gespräch fiel Daisy erst wieder ein, als
sie am nächsten Morgen unter der Dusche stand und versuchte, mit dampfend
heißem Wasser die Alkoholrückstände abzuspülen, die sie noch einhüllten. Aus
einem trüben Dunst unspezifischer Katerängste tauchte plötzlich eine gestochen
scharfe Erinnerung an ihr Gespräch mit Kathy auf, spaltete ihren schmerzenden
Kopf und bewirkte, daß sie sich augenblicklich und unwiderruflich schuldbewußt
fühlte. Vielleicht, sagte sie sich, während sie mit einem Schwamm ihre Beine
schrubbte, war Kathy so betrunken gewesen, daß sie längst alles vergessen hatte.
Vielleicht sollte sie sie anrufen und ihr sagen, daß es nicht ihr Ernst gewesen
war. Nein, damit machte sie alles nur noch schlimmer, falls Kathy es
tatsächlich vergessen hatte. Vielleicht sollte sie es Oliver am besten jetzt
gleich sagen. Sie fühlte sich nicht stark genug. Aber sie mußte es tun. Daisy
drehte die Dusche bis zum Anschlag auf. Heißes Wasser stach wie Nadeln in ihren
Rücken. Sie schloß die Augen. Das Geräusch von prasselndem Wasser war so
durchdringend, daß es einen Moment lang jeden Gedanken aus ihrem Kopf
verdrängte.
»Daisy!«
Sie hätte nicht sagen können, ob seine Stimme in
ihrem Kopf ertönte oder von außen zu ihr vordrang. Sie öffnete die Augen.
»Daisy!«
Oliver schaute um den Duschvorhang herum. Sie
zuckte zusammen.
»Um Gottes willen, Lol! Du hast mir einen
Schrecken eingejagt!«
»Herr im Himmel! Ich wohne schließlich auch
hier, oder hast du das vergessen? Was hast du denn geglaubt, wer es sein
könnte?«
»Ich weiß es nicht.«
»Wieviel hast du gestern abend getrunken? Im Taxi
hast du praktisch im Koma gelegen.«
Nachdem sie Kathy verlassen hatte, hatte sie
sich unter die Gäste gemischt, jeden angelächelt und entschlossene
Anstrengungen unternommen, charmant zu sein, ganz so, als versuchte sie, ihren
Verrat wiedergutzumachen. Sie hatte über all die zotigen Witze gelacht und den
Chef der Kanzlei sachte gescholten, als er sie in den Hintern gekniffen hatte,
und jedesmal, wenn jemand nachgeschenkt hatte, hatte sie ihr Glas hingehalten,
ob Wein, ob Bier, wie es gerade kam. Sie hatte keine Ahnung, wie lange sie
dagestanden und immer unsinnigere Gespräche geführt hatte, und an die Heimfahrt
hatte sie keinerlei Erinnerung.
»Das ärgerliche war, daß alle anderen so
betrunken waren. Im Vergleich dazu bin ich mir relativ nüchtern vorgekommen«,
sagte Daisy und wickelte sich ein weißes Handtuch um die Brust. »Und als ich
mich dann endlich leicht angetrunken gefühlt habe, war ohnehin schon alles zu
spät... Ich habe doch nichts Falsches gesagt, oder?«
»Du hast immer wieder gesagt, es täte dir leid,
und danach hast du mich jedesmal geküßt«, sagte Oliver lachend. »Eigentlich war
es recht nett...«
Daisy zwängte sich an ihm vorbei und ging auf
das Schlafzimmer zu.
»Du mußt wohl ein schlechtes Gewissen haben oder
so was«, rief Oliver ihr nach. »Jedenfalls warst du nicht in der richtigen
Verfassung für meine Überraschung.«
»Was für eine Überraschung?« rief Daisy zurück.
Sie war besorgt und konnte doch ihre Neugier nicht unterdrücken.
»Pack deine Sachen. Wir verreisen.«
»Was? Wohin denn?«
»Zwei Wochen Kreta. Sonne, Meer, Sand und
Frühgeschichte. Ich dachte mir, wir könnten Urlaub gebrauchen.«
»Aber wann?« Daisy stand in der Tür. Sie war
immer noch in ihr Handtuch gehüllt.
»Der Flug geht von Gatwick. Heute nachmittag.«
»Aber...«
»Du hast doch keine eiligen Aufträge?«
»Also, ich muß meinen Verwandtenartikel
verfassen...« Und außerdem war sie zur Pressevorführung eines Films eingeladen,
die sie nicht verpassen wollte.
»Nimm die Schreibmaschine mit. Du kannst den
Text nach England faxen...«
Daisy hatte das bestimmte Gefühl, daß sie nicht
mit Oliver verreisen wollte, doch in ihrer verkaterten Verfassung fiel ihr
nicht schnell genug eine Ausrede ein. »Aber hier ist das Wetter doch
wunderbar...«, brachte sie kläglich heraus.
»Aber hier sind wir nicht am Meer«, widersprach
Oliver lächelnd. »Mach schon, pack deine Sachen. Du brauchst nichts weiter als
einen Bikini und Shorts. Ich koche dir jetzt einen Kaffee. Und noch etwas,
Daisy«, sagte er, während er in der Küche verschwand. »Nimm das Kleid mit, das
du gestern abend
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