Es gibt kein nächstes Mal
normalerweise niemand tat. Shirley stieß die Tür des
Spielwarenladens auf.
»Hier herein.« Shirley öffnete die Tür zu ihrem
zweiten Schlafzimmer. »Stellen Sie es einfach auf den Boden.«
Der nette Mann von dem Spielwarenladen setzte
die große Kiste ab. Sollte sie ihm ein Trinkgeld geben? Shirley wußte nicht, ob
er das als eine Beleidigung aufgefaßt hätte.
»Das ist sehr nett von Ihnen«, sagte sie, und
das war es tatsächlich, denn er hatte angeboten, sie in seinem Lieferwagen
mitzunehmen und nach Hause zu bringen. »Darf ich Ihnen vielleicht eine Tasse
Tee anbieten?«
»Nein, danke, meine Liebe«, sagte er. »Ich mache
mich jetzt besser wieder auf den Rückweg. Ich hoffe, die Kleinen haben ihre
Freude an diesem Geschenk. Die können wirklich froh sein, eine Oma wie Sie zu
haben.«
Shirley lächelte ihn an. Wenn der Bescheid
wüßte, dann würde er glauben, sie sei übergeschnappt. Tja, vielleicht war sie
das ja auch. Sie brachte ihn zur Tür.
Die Post lag immer noch ungeöffnet auf dem
Telefontisch. Shirley nahm sie mit zu ihrem Lehnstuhl am Fenster. Die
Rechnungen waren nicht allzu hoch, das war wenigstens ein Vorteil der Wohnung.
Shirley zog eine mit der Maschine geschriebene
Nachricht aus dem dritten Umschlag, und während sie sie durchlas, begannen ihre
Hände zu zittern. Sie sah sich den Umschlag noch einmal an. Da soviel darauf
herumgekritzelt und durchgestrichen worden war, fiel ihr erst jetzt auf, daß
ihr Mädchenname verwendet worden war. Sie begriff, daß der Brief überhaupt
nicht für sie war. Er war an ihre Schwester gerichtet. Sie hatten früher
dieselben Initialen gehabt.
Es war ziemlich weit hergeholt, davon
auszugehen, daß sie sich vierzig Jahre später noch dort aufhielt, fand Shirley.
Sie stand auf und ging in die Küche. In dem Schrank unter dem Spülbecken
bewahrte sie eine Flasche Schnaps auf, für medizinische Zwecke. Der Schock,
fand sie, rechtfertigte ein Gläschen, obwohl es noch recht früh am Tag war.
Während Shirley an dem Schnaps nippte, begann
sich ihre Panik zu legen. Wenn man in aller Ruhe über die Folgen nachdachte,
stellte sie jetzt fest, dann mußte man zwangsläufig zu dem Schluß gelangen, daß
sie im Grunde genommen gar nichts wußten. Es war das beste, die ganze
Geschichte möglichst schnell wieder zu vergessen. Sie beschloß, so zu tun, als
hätte diese Nachricht sie nie erreicht. Sie riß sie in winzige Schnipsel, die
sie dann in einem von Kens alten Aschenbechern anzündete.
17
»Dann war es also gewissermaßen so, als hätte der
Blitz eingeschlagen — es hat vom ersten Moment an gefunkt, und was ist dann
passiert?« fragte Daisy.
Es fiel ihr ziemlich schwer, keine Miene zu
verziehen. Die Vorstellung, daß sich jemand von einer dieser beiden Personen
angezogen fühlte, bereitete ihr Schwierigkeiten. Sie waren alle beide so fett,
daß sie die Ledercouch in ihrem Wohnzimmer, ein Dreiersofa, vollständig
ausfüllten und nicht den geringsten Platz für die beiden fetten weißen Katzen
ließen, die auf ihrem Schoß saßen. Man hätte mit ihnen verwandt sein müssen, um
einen von den beiden attraktiv zu finden, sagte sich Daisy, und das traf den
Nagel natürlich auf den Kopf.
Sie schrieb einen Artikel über Verwandte, die
sich ineinander verliebt hatten. Sie hatte bereits einen ziemlich poetisch
wirkenden jungen Mann interviewt, dessen ebenfalls gertenschlanke und
wunderschöne, zwanzig Jahre ältere Tante ihm die Jungfräulichkeit geraubt
hatte, als er sechzehn war. Sie schienen ein Traumpaar zu sein, so daß Daisy
nicht wirklich einsah, was dagegen einzuwenden sein sollte, bis Oliver sie
gefragt hatte, ob sie es genauso empfunden hätte, wenn sie es mit einem Onkel
in seinen Dreißigern zu tun gehabt hätte, der seine Nichte, einen Teenager,
verführt hatte.
Und dann war da auch noch das amerikanische Paar
gewesen, das in England lebte, weil es in Amerika illegal war, einen Cousin
ersten Grades zu heiraten. Auch in dem Fall konnte Daisy nicht verstehen, was
daran schlimm sein sollte. Zumindest würde es nicht zu unangenehmen
Überraschungen kommen, wenn die Schwiegereltern einander kennenlernten.
Und zum Schluß Keith und Erica Pudding, wie sie
sie in ihrem Artikel nennen würde (sie hatte versprochen, nicht die richtigen
Namen zu verwenden). Sie waren Bruder und Schwester, die jedoch schon im
Säuglingsalter voneinander getrennt und von zwei verschiedenen Familien
adoptiert worden waren. Als Erica dreißig wurde, hatte sie
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