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Es gibt kein nächstes Mal

Es gibt kein nächstes Mal

Titel: Es gibt kein nächstes Mal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Imogen Parker
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beschlossen, ihre
richtige Familie aufzuspüren, und auf die Eröffnung hin, daß sie einen Bruder
hatte, hatte sie diesen in einer Wohnung in King’s Cross ausfindig gemacht und
an einem regnerischen Novembernachmittag an seine Tür geklopft, und hauruck! Es
war sozusagen Liebe auf den ersten Blick.
    Daisy hatte vor einer Weile einen Artikel über
Paare geschrieben, die einander extrem ähnlich sahen (gefolgt von einem Artikel
über Leute, die wie ihre Haustiere aussahen), aber Mr. und Miss Pudding waren
viel krasser. Kein Wunder, daß es illegal war, sich mit seinen Geschwistern zu
paaren. Daisy sah einen Moment lang vor ihren Augen, wie ein Pudding junior wohl
ausgesehen hätte, woraufhin ihr ganz flau im Magen wurde.
    Während sie sich Torte in den Mund stopfte und
einen Sprühregen aus rosa und gelben Krümeln auf den hochflorigen
milchkaffeefarbenen Teppich niedergehen ließ, erklärte Erica, auf welche
Schwierigkeiten sie bei dem Versuch, zu heiraten, gestoßen seien. Jemand, sie
wußte nicht genau, wer es war, aber sie hatte einen Verdacht, hatte sie
verpetzt, sagte sie und bot Daisy ein gefülltes Hörnchen an. Und dann erst
dieser ganze Ärger mit den Sozialleistungen und den Behörden...
    »Aber warum haben Sie soviel Wert auf eine
Heirat gelegt?« fiel Daisy ihr ins Wort, denn sie sagte sich, die beiden hätten
sich einen Haufen Scherereien sparen können, wenn sie nicht so wild
entschlossen gewesen wären, in der Öffentlichkeit Ringe miteinander zu
tauschen.
    »Wir sind beide Christen«, mischte sich Keith
frömmelnd ein, »und wir waren nicht bereit, in Sünde zu leben.«
    Seit der Religionserziehung in der Schule war
lange Zeit vergangen, und in den meisten Unterrichtsstunden war Daisy
rausgeschickt worden, weil sie dem nervösen Pfarrer, der an den
Donnerstagnachmittagen die letzte Stunde unterrichtete, freche Antworten
gegeben hatte, doch sie hatte das Gefühl, daß Inzest auf der Sündenskala ganz
oben rangierte, gleich neben dem vorehelichen Sex. Andererseits konnte es Keith
und Erica nicht wie Inzest vorgekommen sein, da sie nicht miteinander
aufgewachsen waren, und es war betrüblich (aber gleichzeitig auch eine
außerordentlich amüsante Anekdote; es würde sie viel Kraft kosten, sie nicht
bei Essenseinladungen zum besten zu geben), daß ausgerechnet ihr tiefer Glaube
daran, das Richtige zu tun, sie in Schwierigkeiten gebracht hatte. Vielleicht
graute ihnen insgeheim so sehr vor dem, was sie taten, daß sie versuchten, sich
Gottes Billigung auf andere Weise zu erschleichen, dachte Daisy. Was für ein
fürchterlicher Jammer, daß sie einander nicht einfach zufällig an einer
Bushaltestelle oder so über den Weg gelaufen waren und sich ineinander verliebt
hatten, denn dann hätte niemand je erfahren, daß sie Bruder und Schwester
waren. Wenn man jedoch bedachte, daß Keith den größten Teil seines Lebens mit
dem Hintern auf dem Sofa festgeklebt verbrachte, dann war es unwahrscheinlich,
daß es dazu hätte kommen können.
    Diese Geschichte, sagte sich Daisy, die in
Gedanken ihren Artikel verfaßte, als sie durch die Euston Road rannte und
winkte, um das einzige Taxi mit erleuchtetem Schild auf dem Dach, das sie sehen
konnte, auf sich aufmerksam zu machen, veranschaulicht überdeutlich, wie
gefährlich es sein kann, zu tief in der eigenen Vergangenheit zu forschen. Sie
schenkte dem Taxifahrer ihr gewinnendstes Lächeln, und er lächelte sie
ebenfalls an, fuhr jedoch in die entgegengesetzte Richtung weiter.
    Verdammt noch mal, sie würde zu spät kommen.
Daisy warf einen verzweifelten Blick auf die stillstehende Autoschlange, die
sich über die gesamte Länge der Hampstead Road zog. Sie würde die U-Bahn nehmen
müssen, und das war ihr ein Greuel, vor allem im Berufsverkehr. Sie hatte
geglaubt, ihr bliebe genug Zeit für das Interview, und hinterher könnte sie
nach Hause gehen und ein entspannendes Bad nehmen, ehe sie sich in ihre
Partykleidung warf und vor dem neuerlichen Verlassen des Hauses einen großen
Gin-Tonic trank, doch wie gewöhnlich hatte sie sich verschätzt. Jetzt wünschte
sie, daß sie in einem Kleid zu dem Interview erschienen wäre, aber sie war
bereits zu spät dran gewesen, als sie aufgebrochen war, und es war ein derart
heißer Tag, daß sie in ein weißes Hemd und abgeschnittene Jeans geschlüpft war,
ohne sich Gedanken über den bevorstehenden Abend zu machen. Wenn sie sich jetzt
nicht schleunigst in Bewegung setzte, würde Oliver sie bei ihrer Ankunft wütend
empfangen

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