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Es gibt kein nächstes Mal

Es gibt kein nächstes Mal

Titel: Es gibt kein nächstes Mal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Imogen Parker
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sich angefangen hätte. Wenn
die Leute ihn nach seinen Plänen fragten, hatte Ken häufig gesagt, er hätte
noch andere Fische zu braten. Shirley konnte sich nicht erinnern, jemals einen
zweiten Scherz außer diesem aus seinem Mund gehört zu haben. Aber was hatte er
damit gemeint? Andere Männer gingen abends in den Pub oder spielten Karten,
aber Ken hatte all das verpaßt, da er ein Geschäft hatte, das erst schloß, wenn
die Pubs schon dichtgemacht hatten. Vielleicht hatte der Herzinfarkt ihm lange
Jahre gähnender Langeweile und körperlichen Verfalls erspart.
    Shirley schüttelte diese Gedanken energisch ab.
Abgesehen von ihren Knien, die bessere Zeiten erlebt hatten, alterte sie nicht,
soweit sie das beurteilen konnte, und sie würde es gar nicht erst soweit kommen
lassen, daß sie sich langweilte. Am Wochenende würde Gemma sie besuchen. Wenn
das nichts war, worauf sie sich freuen konnte! Und außerdem, beschloß sie in
einem Anflug von Optimismus, würde sie sich ein Geschenk machen, sich etwas
kaufen — sich ein Hobby zulegen, wenn man es so sehen wollte, warum auch nicht?
Sie dachte an das Haus, das sie sich schon seit Wochen ansah. Sie würde es
kaufen. Sie stand von der Bank auf und lief langsam in die Stadt hinauf.
    Über die Victoria Street waren Schnüre mit
kleinen Flaggen gespannt. In rund zwei Wochen würde dort ein Straßenfest
stattfinden. Der Metzger hatte in seinem Schaufenster eine Pyramide aus
Dosenfleisch aufgebaut. Fünfzig Jahre waren seit dem Kriegsende vergangen. Es
kam ihr länger vor.
    Shirley hatte die Geschichte dieses Tages so oft
anderen erzählt, daß sie sich selbst inzwischen in der dritten Person in der
Erinnerung hatte, wie eine Gestalt in einem Film. Sie sah sich in ihrer
schmucken Schwesterntracht und mit einem Greer-Garson-Haarschnitt, doch sie
trug einen Haarreifen aus Schildpatt, damit ihr das Haar nicht ins Gesicht
fiel. Das Mädchen in ihrer Erinnerung war nicht die Person, als die sie sich
selbst heute ansah. Sie war jung und sorglos, optimistisch und unbeschwert, was
wirklich bemerkenswert war, da sie ihre ersten Jahre als Erwachsene damit
zugebracht hatte, Menschen zu pflegen, die verletzt waren oder im Sterben
lagen, die unschuldigen Kriegsopfer.
    Am Tag des Sieges, mit dem der Zweite Weltkrieg
endete, glaubten sie, alles, was sie wollten, läge jetzt vor ihnen. Nichts war
unmöglich. Die Welt stand ihnen plötzlich offen und bot ihnen alles, was sie
sich nur vorstellen konnten. Die Leute tanzten aus reiner Freude, und zum
ersten Mal in ihrem Erwachsenendasein hatte sie sich sicher gefühlt.
    Ken und Stella waren mit dem Zug gekommen. Als
sie Dienstschluß hatte, erwarteten sie sie bereits. Ken war vorzeitig entlassen
worden, weil er sich einen üblen Beinbruch zugezogen hatte. Er wollte sich den
Feierlichkeiten zu Hause anschließen. Er trug seinen Entlassungsanzug, prahlte
mit den wenigen Brocken Italienisch, die er aufgeschnappt hatte, und erzählte
Geschichten, die seine Tapferkeit bezeugten, um die Nachbarn damit zu
beeindrucken. Aber davon wollte Stella nichts wissen. Sie zerrte ihn humpelnd
in die Stadt — um Shirley zu überraschen, sagte sie, doch alle kannten ihr
wahres Motiv. Keine Party zu Hause konnte Stella genug bieten. Sie wollte im
Mittelpunkt des Geschehens stehen. Und Stella fand im allgemeinen eine
Möglichkeit, das zu bekommen, was sie wollte.
    Shirley blieb an der Kreuzung zur High Street
vor einem Geschäft stehen. Sie sah ins Fenster. Dort stand es, ein Haus von der
Art, wie sie es sich schon immer erträumt hatte — stabil, solide und
symmetrisch, nicht zu elegant, zwei Zimmer unten und zwei im ersten Stock, und
um die Haustür herum wuchsen Rosen. Für das, was es darstellte, schien es teuer
zu sein, aber sie konnte es sich leisten. Die Leute redeten ihr ständig ein,
von ihrer Pauschalabfindung sollte sie sich eine Kreuzfahrt leisten, aber sie
konnte sich nichts Schlimmeres vorstellen, als mit einem Haufen alter Leute und
ein paar zweitrangigen Varietekünstlern auf engem Raum eingepfercht zu sein,
Bridge zu spielen und unter Seekrankheit zu leiden.
    Das Haus war genau das, was sie wollte. Die
Möbel konnte sie nach und nach anschaffen — für das, was es darstellte, war das
Haus wirklich teuer — , und die Vorhänge konnte sie vielleicht selbst nähen.
Wenn es sich lächerlich anhörte, daß jemand in ihrem Alter noch so etwas tat,
na und? Dann würde sie eben sagen, es sei für ihre Enkel, falls sich jemand
erkundigen sollte, was

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