Es gibt kein nächstes Mal
doch schwer hoffen, weil ich uns nämlich
ein Picknick mitgebracht habe.«
Seltsamerweise war Gemma hungrig, zum ersten Mal
seit Wochen.
»Auf dem Weg habe ich bei Marksies
vorbeigeschaut.« Ihre Tante hielt eine vertraute Plastiktüte hoch und deutete
auf den Ausgang. Sie setzten sich langsam in Bewegung und verließen den
Bahnhof.
»Ich erinnere mich noch daran, daß du gern
Eibrötchen mochtest, aber ich habe auch ein paar andere mitgebracht«, fuhr ihre
Tante fort, »und ein paar süße Teilchen, obwohl ich, wenn ich dich so ansehe, kaum
glaube, daß du heute noch viele Süßigkeiten ißt. Weißt du, die verkaufen prima
Sachen. Es lohnt die Mühe nicht, das alles selbst zu machen. Ich meine, was
sollte man denn mit dem restlichen Brotlaib anfangen? Ich koche heute kaum
noch«, fuhr sie fort. »Als Ken gestorben ist, habe ich mir gesagt, das war es
jetzt, und von nun an koche ich keine Mahlzeiten mehr...«
Wie hatte sie sich nur fragen können, worüber
sie mit Shirley reden konnte? fragte sich Gemma erfreut.
»Und so ist es dann auch gekommen. Die Friteuse,
die ich zu meinem Einzug geschenkt bekommen habe, habe ich noch nicht mal
aufgemacht. Meistens stelle ich nur schnell was in die Mikrowelle. Das heißt«,
schloß sie und zwinkerte Gemma zu, um den Effekt ihrer Worte noch zu steigern,
»wenn ich nicht im Restaurant esse. Laß uns unsere Beine schonen.«
Das Taxi setzte sie am Eingang des Memorial
Gardens ab. Es war noch vor der Mittagessenszeit, und sie fanden eine freie
Bank neben dem Blumenarrangement, das jedes Jahr dort gepflanzt wurde. Diesen
Sommer war es der Union Jack, unter dem »1945-1995« stand, mit rotem Salbei,
blauen Stiefmütterchen und weißen Astern gestaltet.
»Mach dich ein bißchen breiter«, riet Shirley.
»Bald wird es voll, und wir wollen doch nicht, daß uns jemand stört, oder? So
ist es gut. Und jetzt such dir aus, was du magst. Ich habe Ei und Kresse für
dich besorgt, aber, wie ich schon sagte, raffiniert angemachtes Huhn ist auch
dabei...«
Gemma genoß es so sehr, mit Shirley zu plaudern,
daß ihr im Grunde genommen ziemlich egal war, was sie aß.
Es war, als sei es zu keiner Unterbrechung
gekommen. In all der Zeit, die ich fort war, sagte sich Gemma und sah die
füllige Gestalt in ihrer türkisfarbenen Jacke und dem Faltenrock an, ist Shirley
meine Tante gewesen, die mich immer noch liebt und die immer noch ein großes
Stück Geschichte gemeinsam mit mir hat.
»Als wir das Geschäft noch hatten, bin ich jeden
Tag hier im Park spazierengegangen«, sagte Shirley. »Nach dem Mittagessen und
vor dem abendlichen Ansturm brauchte ich schließlich auch mal meine Ruhe. Ken
ist nach oben gegangen und hat sich hingelegt, aber mir war die frische Luft
lieber.«
Und wenn ihre Nichte die Ferien hier verbrachte,
hatte sie sie immer begleitet. Sie erinnerte sich noch daran, wie sie auf das
Blumenbeet gedeutet und ihr die Namen der Blumen beigebracht hatte. Gemma war
immer ein so braves kleines Mädchen gewesen. Sie war gern neben ihr hergelaufen
und hatte sie an der Hand gehalten, und sie war nicht durch die Gegend gestürmt
wie die ausgelassenen Kinder, die am änderten Ende des Parks auf dem Spielplatz
schaukelten.
Wie ist es Stella bloß gelungen, ein solches
Kind hervorzubringen? hatte sie sich früher immer wieder gefragt.
Und jetzt war sie richtig erwachsen geworden.
Und wie elegant sie aussah — wie eine der Frauen in den Modenzeitschriften.
Shirley sah, wie Spaziergänger sie musterten und sich dann noch einmal nach ihr
umschauten.
»Vermißt du das Geschäft?« fragte Gemma.
»Was? All diese Arbeit? Du machst wohl einen
Scherz... obwohl ich sagen muß, daß die Gesellschaft angenehm war«, fügte sie
mit einer Spur von Wehmut hinzu.
Gemma fiel auf, daß die Augen ihrer Tante wäßrig
waren. Zu den Dingen, die sie besonders gern an ihrer Tante mochte, gehörte,
daß sie niemals klagte. Sie war von Natur aus fröhlich und zufrieden, und sie
hätte eine reizende Mutter abgegeben. Das Schuldbewußtsein versetzte ihr einen
Sticht, als sie sich daran erinnerte, wie sie Shirley ein einziges Mal gefragt
hatte, warum sie keine Kinder hatte. Daraufhin hatte ihre Tante gelächelt, ein
trauriges Lächeln, und freundlich gesagt, es sei nicht sehr höflich, Leuten
diese Frage zu stellen. Gemma hatte sich hinterher noch tagelang elend gefühlt
und versucht, es wiedergutzumachen, indem sie viele Bilder von Blumen und
anderen Dingen, die sie mochte, für ihre Tante malte.
»Verstehst
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