Es gibt kein nächstes Mal
waren
einem Hollywoodstudio aufgefallen, und dort hatte man große Pläne gemacht für Zeichentrickfilme
mit seinen Figuren. Ein Flugschein erster Klasse war mit der Post eingetroffen,
und im Haus hatte so viel Aufregung geherrscht, daß man sie fast greifen
konnte. Gemma konnte sich noch gut daran erinnern. Sie würden reich werden!
Am Tag, nachdem sie ihm in Heathrow nachgewunken
hatten, wurde sie krank. Es hatte sie wirklich ganz übel erwischt, und selbst
hinterher, nachdem die Infektion aufgehört hatte zu wüten, war sie noch mit
Flecken gesprenkelt und fühlte sich sehr elend. Als sie damals im Bett lag und
sich zu krank fühlte, um selbst zu lesen, hatte sie ihn schrecklich vermißt.
Sie hatte, wie es ihr erschien, endlose Tage damit zugebracht, durch
tränenblinde Augen die Illustrationen anzustarren, mit denen die Wände ihres
Zimnmers tapeziert waren, und sich zu wünschen, er wäre da, um sie mit einer
Geschichte zu trösten.
Estella schaffte es nur mit Mühe und Not, wenn
eines ihrer Kinder krank war, doch als auch Daisy sich den Virus zuzog, riß ihr
die Geduld. Eines Abends, als Gemma sich nach unten schlich, um sich ein Glas
Milch zu holen, hörte sie ihre Mutter am Telefon reden. Sie bedankte sich
gerade bei jemandem. Ihre Stimme klang seltsam, und sie verwendete die Art von
vokalischen Lauten, die sie selbst als »reichlich gewöhnlich« bezeichnete.
»Dann kommt ihr also am Sonntag und holt sie ab?
O Shirl, ich danke dir, du hast mir wirklich das Leben gerettet... Sie ist ein
entzückendes kleines Mädchen, wirklich, wenn man von diesem Selbstmitleid
einmal absieht...«
Gemma ging automatisch davon aus, daß sie von
Daisy sprach, doch am nächsten Morgen kam ihre Mutter mit einem Glas
frischgepreßtem Orangensaft in ihr Zimmer. Sie hatte es wie einen Cocktail
verziert, den Rand des Glases gezuckert und mit einer Orangenscheibe dekoriert.
»Hättest du Lust, ans Meer zu fahren, Liebling?« fragte sie. Sie setzte sich
auf das Fußende von Gemmas Bett und lächelte sie nachsichtig an.
»Wann?« hatte Gemma wachsam zurückgefragt.
Eine Spur von Ärger huschte über das Gesicht
ihrer Mutter. Sie schien gereizt zu sein, riß sich jedoch zusammen und fuhr sie
nicht an. »Am Wochenende. Ich dachte, es würde dir vielleicht Spaß machen, dich
bei deiner Tante Shirley zu erholen. Das ist meine Schwester«, fügte sie hinzu.
»Ihr Mann wird mit dem Kühllaster kommen, um dich abzuholen«, sagte sie, als
sei damit alles erklärt.
Gemma malte sich aus, wie sie zitternd vor Kälte
in einer Art Iglu auf Rädern saß.
»Hilft das gegen die Ausbreitung der Bakterien?«
fragte sie.
»Bakterien?« Estella sah sie besorgt an. »Nein,
nein, den braucht er für den Fisch«, sagte sie, und dann verstand sie Gemmas
Bedenken und fügte hinzu: »Du wirst vorn sitzen und es schön warm haben.« Ehe
Gemma weitere Fragen stellen konnte, stand Estella auf und sagte: »Dann hätten
wir das also geregelt.« Sie ging, um nach Daisy zu sehen.
Gemma spürte, wie ihr Kopf sich plötzlich mit
einem Ruck hob. Der kleine Junge ihr gegenüber kicherte, als sie einen Spiegel
aus ihrer Handtasche zog und sich darin ansah. Sie hoffte nur, daß sie nicht
geschnarcht hatte. Sie mußte mehr als eine Stunde geschlafen haben. Draußen
zogen gerade die South Downs vorbei, und die Luft im Wagen war frischer, da sie
sich jetzt der Küste näherten.
Shirley erwartete sie dort, wo sie sie immer
erwartet hatte, unter der Uhr. Abgesehen von dem Gehstock, sah sie noch fast
genauso aus wie vor zehn Jahren. Ihr Haar wies eher weniger Grau auf als
damals, und sie hatte sich eine frische Dauerwelle legen lassen. Es sah so aus,
als hätte sie ein bißchen abgenommen, doch als Gemma sie umarmte, fühlte sie
sich noch genau so gut an wie eh und je, und ihre Wangen rochen nach wie vor
nach Nelkenseife. Gemma hielt sie mehrere Minuten lang in den Armen. Das, sagte
sie sich, gibt mir wahrhaft das Gefühl, nach Hause gekommen zu sein.
»Tja«, sagte Shirley und hielt sie auf Armeslänge
von sich, ehe sie sie wieder an sich zog, »du siehst wirklich toll aus!«
Wie hatte sie Shirleys Aussprache vergessen
können? Jedesmal, wenn ein Wort mit einem »l« endete, fügte Shirley noch ein
»w« hinzu. Gemma erinnerte sich jetzt wieder daran, daß sie, wenn sie von ihrer
Schwester sprach, immer »Stellw« gesagt hatte. Sie ertappte sich dabei, daß sie
lächelte.
»So«, sagte Shirley, »und worauf hast du jetzt
Lust? Hast du Hunger? Das möchte ich
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