Es gibt kein nächstes Mal
damals äußerst attraktiv erschienen
war und ihn mehr als nur ein wenig eingeschüchtert hatte.
»Vielleicht kann ich es wiedergutmachen«, schlug
er vor und bemühte sich, den lockeren Gesprächston beizubehalten.
»Das möchte ich bezweifeln«, sagte Gemma, die
dieses Geplänkel genoß. »Verstehst du, dir mangelt es an etwas Grundlegendem.«
Er hätte gern nachgefragt, was das war, aber er
war nicht hundertprozentig sicher, daß er die Antwort wirklich hören wollte.
»Manieren«, sagte sie nach einer Pause, deren
Länge exakt richtig bemessen war. »Wenn man heute unverbindlichen Sex mit
jemandem haben will, dann muß man zwei Voraussetzungen dafür mitbringen:
Kondome und Manieren.«
»In welche Richtung gehst du?« fragte Patrick,
nachdem er einen angemessenen Zeitraum zerknirscht geschwiegen hatte. Sie
hatten eine Kreuzung erreicht.
»Ich hatte vor, ein Taxi zu nehmen«, sagte sie,
damit er sich etwas mehr anstrengen mußte.
Sie hatte die Wahl, den Abend allein zu Hause zu
verbringen und zu lesen oder sich von einem attraktiven Mann auf einen Drink
einladen zu lassen; der Kerl mochte zwar ein lockerer Vogel sein, doch die Qual
der Wahl war nicht gerade groß.
»Ach, komm doch noch mit auf einen Drink«,
beharrte er. »Das Atlantic wird dich begeistern. Eine Bar, in der du dich wohl
fühlen wirst — elegant, raffiniert und sehr, sehr teuer...« f
Er war so unerhört charmant und gut gelaunt, daß
sie lächelnd sagte: »Warum eigentlich nicht?«
Die Wände des kreisförmigen Raums waren
eierschalfarben und braun gestrichen, in breiten horizontalen Streifen. Die
Oberfläche schimmerte, als sei die Farbe noch naß. Daher kam Gemma sich vor,
als seien sie in einen gewaltigen Becher aus weißer und dunkler Mousse au
chocolat hineingelaufen.
Ein Freund von Patrick saß an der Bar. Patrick
machte ihn mit Gemma bekannt und bestellte eine Flasche Champagner. Ralph
schrieb Buchbesprechungen für Six Pack, erklärte er. Ralph war
Amerikaner, und sie fühlte sich auf Anhieb wohl in seiner Gegenwart.
Zu dritt leerten sie die Flasche, während sie
unbeschwert plauderten, und dann bestellte Patrick die nächste Flasche. Er
erklärte, wer Gemma war, ging jedoch nicht darauf ein, welcher Natur ihre
frühere Bekanntschaft gewesen war, und er ließ eine spöttische Bemerkung über ihren
neuen Job fallen. Statt sich in acht zu nehmen, schluckte sie den Köder.
»Jetzt hör bloß auf! Du willst mir doch nicht
etwa einen Vortrag über Literatur halten? Zumindest handelt es sich bei dem, was
ich herausgebe, um ehrlichen Eskapismus. Ich finde es zum Kotzen, wenn gequälte
männliche Geständnisse über Masturbation und konfuse sexuelle Identität als
hohe Literatur ausgegeben werden. Meiner Ansicht nach gibt es nichts
Schlimmeres, vielleicht mit Ausnahme von ernsthaften jungen Männern, die ihre
Gedichte vorlesen...«, quasselte sie unbeirrt drauflos, wenn auch nicht ohne
eine Spur von Ironie.
Manchmal, sagte sie sich, könnte man meinen, ich
sei Boy.
Ihr fiel auf, daß das verschmitzte Lächeln in Patricks
Augen erloschen war.
»Was ist? Was habe ich denn gesagt?«
»Ralph ist Dichter, und er hat gerade seinen
ersten Roman veröffentlicht«, sagte Patrick.
»Und wenn ich aus dem Klappentext meines Buchs
zitieren darf«, schnitt ihm Ralph mit vollkommen ausdrucksloser Miene das Wort
ab: »>Diese vor Eindringlichkeit sengende Erkundung der Masturbation und der
konfusen sexuellen Identität geht in ihrer Erforschung der männlichen Psyche
sogar noch weiter als Ejakulation, das preisgekrönte epische Gedicht des
Autors...<«
»Soll das ein Witz sein?«
Er bewahrte noch ein paar Sekunden lang die
ernste Miene, ehe sie Sprünge bekam.
»Und ob das ein Witz ist!« Gemma brach in
Gelächter aus.
Ralph lachte ebenfalls.
Patrick schien nicht zu verstehen, was die
beiden derart komisch fanden.
»Ich muß mich jetzt auf den Weg machen«, sagte
er. »Sonst komme ich zu spät zum Abendessen. Schön, daß du wieder hier bist,
Gemma«, fuhr er fort, als seien sie alte Freunde, und als er sie liebevoll
küßte, fügte er hinzu: »Demnächst müssen wir uns mal richtig treffen.«
»Hast du schon gegessen?« fragte Ralph, während
sie erwogen, noch eine Flasche miteinander zu teilen.
»Nein, aber ich habe rasenden Hunger!«
»Dann fragen wir doch, ob sie noch einen Tisch
für uns haben«, sagte er.
Er fragte sie, wie sie dazu gekommen war, im
Verlagswesen zu arbeiten, und sie war nicht ganz sicher, ob es ihn
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