Es gibt kein nächstes Mal
Stadt
angekommen war. Sie hatte diese welpenhafte Begeisterung und Naivität durch ihn
noch einmal erleben können, und genau das hatte sie an ihm gereizt.
Als er sie im Büro angerufen und ihr berichtet
hatte, alle würden behaupten, er müsse sie unbedingt für seinen Artikel
interviewen, hatte sie nicht gewußt, wer er war, aber seine äußerst einnehmende
Art am Telefon hatte ihr geschmeichelt. Sie hatten sich im Royalton auf einen
Drink getroffen, und dort hatte er ihr ernstzunehmende und absolut belanglose
Fragen zum Verlagswesen in New York gestellt und immer wieder an ihr vorbei zum
Nebentisch hinübergeschaut, an dem Robert de Niro mit einer Frau saß, von der
Patrick glaubte, sie könnte eines der bestbezahlten Models sein.
Sie aßen Sushi in einer Sushibar im East
Village, und dort kamen sie überein, zum inoffiziellen Teil des Abends
überzugehen. Dann schleppte sie ihn in ihre Lieblingsbar in Tribeca, wo sie
White Russians tranken und zu Motown-Klängen aus der Jukebox Billard spielten.
Dann hatte irgendwann einer von beiden — sie
konnte sich nicht erinnern, ob sie die Initiative ergriffen hatte oder ob es Patrick
gewesen war — sich den anderen geschnappt, und sie hatten am Pooltisch zu zwei
Nummern von Marvin Gaye einen Stehblues getanzt. Dann hatte sie Patrick nach
Hause mitgenommen, und im Lift zum fünften Stock hatten sie geflüstert und
gekichert und versucht, keinen Lärm zu machen, weil sie Boy nicht vorgewarnt
hatte, daß sie Besuch mitbringen würde. Nicht etwa, daß ihn das gestört hätte,
sagte sie sich, aber wenn sie einen gutaussehenden Mann nach Hause mitnahm,
bemühte er sich immer, ihn ihr auszuspannen.
»Im Grunde genommen«, sagte sie und beschloß,
Ralph alles zu erzählen, »ist die Wahrheit wesentlich nüchterner als Patricks
Fieberphantasien. Ich war mit einem schwulen Mann verheiratet. Es war eine
Zweckehe, und er ist kurz vor Weihnachten an AIDS gestorben. Ende der
Geschichte.«
Ralph nickte.
»Nur sieht die ganze Wahrheit wesentlich
komplizierter aus«, fuhr sie fort, denn seine stumme Reaktion ermutigte sie zum
Weiterreden, »denn er ist mein bester Freund gewesen, der Mensch, der mir von
allen auf Erden am nächsten gestanden hat. Und außerdem war er der netteste
Mann, der mir je begegnet ist, abgesehen von meinem Vater. Ich habe ihn und
mein Leben mit ihm wirklich geliebt. Und ich vermisse ihn«, sagte sie und sah
Ralph in die Augen.
»...und ehe du danach fragst: Ich gehöre nicht
zu diesen Weibern, die Schwulen nachlaufen und sie drangsalieren, weil sie sich
einbilden, schwule Männer seien nur so lange schwul, bis sie ihnen begegnen«,
sagte sie vorsichtshalber trotzig.
Ralph hob die Hände zu einer stummen Geste des
Protests.
»...aber ich habe ihn tatsächlich geliebt«,
sagte sie. »Man kann nämlich durchaus jemanden lieben, ohne Sex mit ihm zu
haben.«
»Ja, selbstverständlich«, bestätigte er.
Zu Beginn hatten Boy und sie manchmal aus reiner
Geselligkeit ein Bett geteilt. Der erste Sommer war so heiß gewesen, daß sie
Boys Futon auf das Dach gezerrt und dort oben geschlafen hatten, bis Boy zu
seinem Entsetzen festgestellt hatte, daß die Teerschicht schmolz und den
blauweißen Stoff ruinierte.
Die Erinnerung daran ließ sie lächeln.
Ralph streckte eine Hand über den Tisch und
wischte ihr äußerst behutsam mit der Spitze seines Zeigefingers eine Träne von
der Wange. Es war eine derart intime Geste, daß sie zusammenzuckte und sich
zurücklehnte.
Er sah sie mit großer Sorge in den Augen an. Sie
spürte, daß ihre Worte ihn angerührt hatten. Sie wandte den Blick ab, denn sie
wollte ihm nicht in die Augen sehen und wieder weinen. Mehrere Minuten lang
schwiegen sie.
»Kaffee?« fragte er schließlich.
Sie war erleichtert darüber, daß er keine
Bemerkungen dazu machte und ihr auch jegliche Beileidsbekundungen ersparte.
»Ja, bitte.«
»Und was«, fragte er in dem Bemühen, ein
erfreulicheres Thema anzuschneiden, »ist mit dem Rest deiner Familie? Leben
deine Verwandten in den Staaten oder hier?«
»Ich habe eigentlich gar keine Familie«, sagte
sie.
»Oh, ich dachte...« Er unterbrach sich.
»Was?« hakte sie nach.
»Tja, da gibt es eine Journalistin namens Daisy
Rush, die für Six Pack eine Kolumne schreibt. Patrick dachte, ihr könntet
vielleicht miteinander verwandt sein...«
»Meine Güte«, sagte sie mit scharfer Stimme,
»Patrick scheint sich ja wirklich brennend für mein Leben zu interessieren,
stimmt’s?«
Plötzlich war
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