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Es gibt kein nächstes Mal

Es gibt kein nächstes Mal

Titel: Es gibt kein nächstes Mal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Imogen Parker
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Daisy niedergeschlagen.
    »Eine Überraschung«, sagte er.
    Daisys Gesicht hellte sich auf. Sie liebte
Überraschungen.
    »Eine große Überraschung oder nur eine kleine?«
fragte sie.
    »Eine große, eine ganz große«, erwiderte Oliver
und ließ sich aus dem Stegreif etwas einfallen. Er griff nach seinem
Mobiltelefon und fragte Daisy, wo sie den Wagen abgestellt hatte.
    »Ich glaube, er steht gleich hier in der Straße,
nicht weit von diesem Abfallcontainer«, sagte Daisy. Das Parken in ihrer Straße
war immer wieder ein Alptraum, und Daisy konnte sich nie genau daran erinnern,
wo sie den Wagen abgestellt hatte.
    »Gib mir doch einfach die Schlüssel. Dann suche
ich ihn und hole dich hier ab. Zieh dir etwas Hübsches an«, fügte er hinzu.
    Oliver sang schrecklich gern. Morgens unter der
Dusche versuchte er sich meistens an ein oder zwei Arien aus II Trovatore, aber
seine Stimmlage, die nicht allzu sicher zwischen einem Tenor und einem Bariton
angesiedelt war, eignete sich besser für rührselige Balladen aus den Fünfzigern
und Sechzigern. Es versetzte Daisy immer wieder in helles Erstaunen, daß er all
die Texte auswendig kannte. Oliver behauptete, in einer seiner zahlreichen
jugendlichen Inkarnationen Leadsänger einer Band aus Liverpool gewesen zu sein.
    Capitol Gold veranstaltete einen Abend mit den
Everly Brothers, und das Autoradio war auf höchste Lautstärke aufgedreht.
    »Dr ... ee ... ee...ee.eam, dream, dream, dream ... Komm schon, Daisy, sing
die Begleitstimme!« Er mußte schreien.
    Sie kannte den Refrain, aber es rief bei ihr
immer wieder unbändiges Kichern hervor, daß Oliver das Singen so ernst nahm. Er
hätte einen ausgezeichneten Dirigenten abgegeben, sagte sie sich. Er war so
herrisch.
    In Momenten wie diesem, wenn sie an einem
wunderschönen Frühlingsabend über die M40 in den Sonnenuntergang rasten und
Oliver aus voller Kehle sang, fühlte sie sich absolut glücklich mit ihm und war
leidenschaftlich verliebt. Seine Gesellschaft jagte ihr Schauer der Lust über
den Rücken, und ihr Gesicht strahlte vor Lachen.
    Warum, fragte sie sich, wurden solche Abende
immer seltener? Oliver hatte schon immer unter starken Stimmungsschwankungen
gelitten (und dafür gesorgt, daß auch andere darunter litten). In den allerersten
Jahren waren seine grüblerischen Phasen existentieller Verzweiflung sogar
anziehend gewesen. Vor allem in den seltenen Fällen, in denen es ihr gelungen
war, ihn mit einem gutplazierten Witz oder einem Kuß im rechten Moment von dem
Abgrund zurückzulocken. Das hatte ihr ein ausgeprägtes Gefühl für ihren eigenen
Wert und für ihre Kraft verliehen. Aber damals war im allgemeinen sie diejenige
gewesen, die niedergeschlagen oder traurig war, und Oliver war es immer
gelungen, sie mit einer spontanen Geste oder einer verrückten Idee
aufzuheitern. So war er zum Beispiel um zwei Uhr morgens mit ihr Bowlingspielen
gegangen, oder er war mit ihr zum Frühstück nach Boulogne gefahren, mitten im
Winter, und sie waren die beiden einzigen Personen auf der Nachtfähre gewesen.
    Tatsächlich hatte sie den Eindruck, Oliver sei
immer viel netter zu ihr, wenn sie bedrückt war. Erst in der allerletzten Zeit
hatte sie begriffen, daß ihre zufriedene und ausgeglichene Verfassung ihn
ärgerte und daß es ihm anscheinend Spaß machte, sie für ihre gute Laune zu
bestrafen, indem er ihr das Gefühl gab, sie sei unglaublich oberflächlich und
zu nichts zu gebrauchen.
    Sie versuchte, Mitgefühl für ihn aufzubringen.
Sie wußte, daß seine Herkunft ihn traumatisiert hatte, aber auch wenn er seine
Eltern haßte, sagte sie sich manchmal gehässig, dann waren sie doch immerhin
noch am Leben. Jedesmal, wenn sie versuchte, ihn aus seinem finsteren Schweigen
herauszulocken, seufzte er, sah sie ungläubig an und sagte: »Daisy, du hast
keine Ahnung.«
    Das war ein Satz, über den sie sich mehr ärgerte
als über jeden anderen. Damit tat er ihren Intellekt und ihr
Einfühlungsvermögen in einer Art ab, die sie jedesmal wieder an ihren Vater
erinnerte; sie hatte immer das Gefühl gehabt, er hätte sie als ein albernes
Mädchen abgeschrieben, und wenn ihr das wieder einfiel, dann dachte sie gleich
darauf erbittert an Gemma, den Liebling ihres Vaters, und Gemma hatte sie jetzt
auch abgeschrieben.
    Manchmal fand sie die Kraft zur Vergeltung. »Um
Gottes willen, werde endlich erwachsen!« hatte sie erst kürzlich zu Oliver
gesagt und dann unnötigerweise auch noch hinzugefügt: »Du bist schon über
Vierzig! Bring

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