Es gibt kein nächstes Mal
jenem Sportfest, zu dem alle anderen Eltern
in ihren Wagen gekommen waren, die sie außerhalb der Schultore geparkt hatten,
um dann über den Sportplatz zu schlendern, war die schwarze Limousine (wie
brachte Estella es bloß immer wieder fertig, die einzige schwarze Limousine zu
ergattern, wenn doch alle anderen, die den Taxistand anriefen, einen schäbigen,
alten Cortina bekamen?) die Auffahrt hinaufgeglitten, und Estella war darin
sitzen geblieben und hatte gewartet, bis der Oberstudienrat für Naturkunde
angerannt kam, um ihr die Tür aufzuhalten. Erst dann war sie ausgestiegen, mit
schillernden Perlen behängen und in Seidenschals aller Regenbogenfarben
gehüllt, und ihr schimmerndes schwarzes Haar hatte wie ein schwerer Vorhang
gewirkt, der fast bis auf ihre Taille reichte. Daisy war sicher, daß alle aus
der Schule den Atem angehalten hatten. Sie war so schön.
Tränen begannen über ihr Gesicht zu rinnen. Sie
wußte, daß sie nicht soviel hätte trinken dürfen. Zuviel Alkohol führte bei ihr
ausnahmslos dazu, daß sie sich entweder kokett und ungezogen benahm oder
gefühlsduselig und weinerlich wurde.
»Es tut mir leid«, sagte Cal. »Ich hätte
nicht...«
»Schon gut. Ich habe nur zuviel getrunken, das
ist alles.« Daisy rang sich ein Lächeln ab. »Verstehst du, die Leute glauben,
man käme darüber hinweg, aber so ist es nicht. Man gewöhnt sich nur daran. Und
man versteht nie wirklich, warum...«
»Es tut mir ja so leid.« Cal legte seine Hand
auf ihre.
Sie starrte seine Hand an, die ihre Hand umfaßt
hielt, als handelte es sich dabei um einen interessanten Gegenstand auf dem
Tisch, der irgendwie von ihr losgelöst war. Sie fing gerade an, in Panik zu
geraten und sich zu fragen, wie sich dieser Gegenstand wohl entfernen ließ,
ohne daß es zu Peinlichkeiten oder Enttäuschung kam, als der Kellner nahte und
Cal sich zurücklehnte, um Platz für das Essen zu machen.
Sie aßen schweigend. Sie waren an einen toten
Punkt gelangt. Irgendwie gab es nicht mehr viel zu sagen, und es wäre
gewissermaßen respektlos gewesen, zu Banalitäten zurückzukehren. So muß ein
One-night-stand sein, dachte Daisy. Ein Gipfel an Intimität, doch nichts,
worauf er sich stützt, und daher entsteht am nächsten Morgen eine gewisse
Peinlichkeit, wenn es nichts mehr zu sagen gibt.
Es war erst halb zehn, als Daisy ein Taxi nach
Hause nahm. In der Tottenham Court Road saß sie in einem Verkehrsstau fest und
fragte sich, wieviel sie Oliver von dieser Begegnung erzählen würde, und dabei
fiel ihr schlagartig und voller Schuldbewußtsein auf, daß sie ihn Costelloe
gegenüber nicht ein einziges Mal erwähnt hatte, noch nicht einmal dann, als sie
ihre Familienangehörigen einzeln aufgezählt hatte.
»Es tut mir ja so leid, daß ich zu spät komme«,
sagte Gemma, während sie ihre Jacke auszog und eine schwere Büchertasche auf
den Stuhl neben ihm warf.
»Schon gut, das macht nichts. Du hast haarscharf
deine Schwester verpaßt«, sagte Ralph.
»Was?«
»Daisy Rush. Sie hat gerade eben dort drüben mit
einem Typen zu Abend gegessen.« Ralph deutete auf einen leeren Tisch.
»Was war das für ein Typ?« fragte Gemma abrupt.
»Ziemlich jung, langes Haar, ein recht
gutaussehender Kerl. Ich weiß es nicht recht, ich habe ihn nur einen Moment
lang gesehen. Die meiste Zeit hat er mit dem Rücken zu mir gesessen.«
»Lange dunkle Locken?« Gemma zitterte ein wenig.
»Nein, eher blond.«
»War er sehr groß?«
»Nein. Ziemlich klein. Nicht viel größer als
sie. He, was soll denn diese Inquisition?«
Gemma lachte. »Es tut mir leid. Es liegt nur
daran, daß ich meine Schwester schon so lange nicht mehr gesehen habe. Ich habe
mich lediglich gefragt, mit was für einem Typen sie derzeit wohl rumhängt.«
Gemma faßte sich wieder. »He, das macht ja einen köstlichen Eindruck«, sagte
sie nach einem Blick in die Speisekarte, die der Kellner vor ihr abgelegt hatte,
nachdem er sie zum Tisch geführt hatte.
10
»Ich fand, du solltest wissen, daß ich, sowie
ich aufgelegt habe, den Telefonhörer abnehmen und Daisy anrufen werde«, sagte
Gemma. »Anscheinend wäre ich ihr gestern abend im Groucho Club beinah in die Arme
gelaufen, und da dachte ich mir, mit der Zeit wird es lachhaft.«
»Gem, das ist ja großartig!«
»Noch etwas, Kathy, ich wollte mich noch einmal
für den Abend bei dir bedanken.«
»Schon gut. Viel Glück.«
»Ist bei dir alles in Ordnung, Kathy?«
»Mir geht es gut. Ich gebe dir einen
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