Es gibt kein nächstes Mal
weit
hinter sich zugezogen, daß sie nicht ordentlich ins Schloß fiel und die
Ladenglocke unablässig bimmelte, damit sich Dad noch lange nach ihrem
Verschwinden an ihre Frechheit erinnerte.
Die Mädchen mit ihren dunkel geschminkten
Lippen, die vor Shirley anstanden, drehten sich um und schleckten an ihrem Eis.
Sie wirkten heute alle so gut informiert, dachte Shirley. In den heutigen Zeiten
wäre Stella in einer Menschenmenge nicht mehr aufgefallen. Sie war ihrer Zeit
immer voraus gewesen, und genau damit hatte sie sich Schwierigkeiten
eingehandelt.
Shirley kaufte sich eine Blätterteigtasche und
einen Cappuccino in einem Styroporbecher. Anständiger Kaffee, stark und mit
einer Schaumkrone und Kakaopulver darauf. Er kostete ein Pfund, und so
schmeckte er auch. Der Mann, der sie bediente, packte ihre Einkäufe in eine
winzige Tragetasche aus braunem Papier und steckte eine Serviette dazu. Ein
kleiner Luxus. Wie würde Bethany das wohl aufnehmen? fragte sich Shirley
lächelnd.
Sie setzte sich auf eine schmiedeeiserne Bank an
der Strandpromenade und schaute auf den Strand hinab. Heute ging niemand mehr
im Meer baden, und das konnte sie den Leuten wahrhaftig nicht verübeln. Bei
blauem Himmel hatte das Meer früher auch blau ausgesehen, doch jetzt hatte es
die Farbe einer Tasse kalten Tees. Dennoch lockte es nach wie vor die
Menschenmassen aus der Stadt an, die herkamen, um salzige Meeresluft zu schnuppern
und sich am Strand rösten zu lassen. Halbnackte Körper lagen reihenweise da,
glänzten ölig und drehten sich in regelmäßigen Abständen wie Hähnchen an einem
Spieß. Die kühle Brise, die am Meer wehte, war irreführend. Shirley spürte, daß
es glühend heiß war. Zwei Windsurfer in grellrosa Kälteschutzanzügen ritten auf
den milchig braunen Wellen und fielen ins Wasser, wenn sie zu dicht ans Ufer
kamen.
Das ärgerliche am Alleinsein war die Zeit. Sie
schien so langsam zu vergehen. Shirley hatte es sich abgewöhnt, eine Armbanduhr
zu tragen, sie hatte es satt, ständig auf das Zifferblatt zu sehen, die Uhr zu
schütteln und zu glauben, sie sei kaputt. Mit einem Lächeln erinnerte sie sich
an die hektischen Zeiten und den Betrieb, der in der Hochsaison geherrscht hatte,
wenn sie und Ken pausenlos gearbeitet hatten. Sie waren den ganzen Tag lang auf
Achse gewesen, doch sie hatten es kaum wahrgenommen, bis sie sich nachts ins
Bett legten und im Dunkeln laut nachrechneten, wie lange sie auf den Füßen
gewesen waren, und wenn sie versuchten, einzuschlafen, war ihnen aufgefallen,
wie sehr ihre Beine schmerzten. Manchmal brachten sie es auf neunzehn Stunden,
weil sie um fünf Uhr morgens auf waren, um die Fischlieferungen
entgegenzunehmen. Aber die Zeit war wie im Flug vergangen. Und Ken hatte immer
wieder gesagt, wenn er erst einmal im Ruhestand wäre, würde er eine ganze Woche
lang durchschlafen oder sogar noch länger, falls es ihm nötig erscheinen
sollte.
Manchmal fragte sich Shirley, ob er den
Ruhestand genossen hätte. Was hätte er mit all der Zeit angefangen? Ganz
gleich, wie lange man schlief, die endlosen Tagesstunden schienen vor einem
aufzuklaffen. Die Rentner in dieser Stadt vertrieben sich die Zeit mit
Golfspielen, aber Ken hatte nie Golf gespielt. Vielleicht hätte er es gelernt.
Vielleicht hätten sie es gemeinsam gelernt.
Man brauchte Hobbies, wenn man sich zur Ruhe
setzte. Solange sie den Laden hatten, war ihnen nie wirklich Zeit für ein Hobby
geblieben. Wenn sie nicht Kunden bedienten, dann schrubbten sie Fußböden,
leerten die Friteusen aus, wechselten das Fett, schlugen den Panierteig und
wuschen die Wäsche. Sie mußten ihre Schürzen lange Zeit einweichen und
gründlich vorwaschen, damit das Fett rausging, selbst später noch, als sie eine
Waschmaschine hatten. Sie hatten sich stolz zugute gehalten, daß ihre
Kleidungsstücke nie nach Fisch und Bratfett gerochen hatten.
Als sie gerade beschlossen hatten, das Geschäft
zu verkaufen — es zeichnete sich deutlich ab, daß sie zusätzlich Chicken
Nuggets und Hamburger anbieten müßten, um konkurrenzfähig zu bleiben, und Ken
sagte, davon wollte er nichts hören — , beugte Ken sich über die Gefriertruhe
und hatte einen Herzinfarkt. Ein Glück, daß es nicht die Friteuse war, hatte
der Bestattungsunternehmer bemerkt, denn die hätte ihn knusprig gebraten.
Die Leute sagten, es sei ein Jammer, daß er nie
Gelegenheit gehabt hatte, den Ruhestand zu genießen, aber manchmal fragte sich
Shirley wirklich, was er den ganzen Tag über mit
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