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Es gibt kein nächstes Mal

Es gibt kein nächstes Mal

Titel: Es gibt kein nächstes Mal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Imogen Parker
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ausgeprägt gewesen als bei den meisten anderen Menschen, die
sie kannten. In gewisser Weise, hatte sich Shirley gesagt, hätte ich es
vielleicht vorgezogen, wenn nicht alles ganz so reibungslos verlaufen wäre...
    »Wir bringen Sie alle zum Supermarkt. Der
Minibus steht um zehn Uhr bereit«, zwitscherte Bethany.
    »Danke«, sagte Shirley, »aber ich glaube nicht,
daß ich mir die Mühe machen werde.«
    »Fühlen Sie sich nicht ganz auf der Höhe?«
erkundigte sich Bethany.
    Warum mußte sie ständig Ausreden erfinden?
fragte sich Shirley. Die Leute von der Altenfürsorge machen ihre Sache recht
gut, aber warum konnte man sie nicht einfach in Ruhe lassen?
    »Dort hat man Ihnen wirklich viel zu bieten...«,
redete Bethany ihr gut zu.
    An alte Menschen wurden gewisse Erwartungen
gestellt, mit denen Shirley nichts zu tun haben wollte. Zum Beispiel ging man
davon aus, daß sie auf jeden Penny schauten. Um Himmels willen, die meisten
Leute, die sie kannte, waren im Alter so reich wie nie zuvor in ihrem ganzen
Leben. Und wenn sie ihr Geld jetzt nicht ausgaben, wann denn sonst? Shirley
hatte ihren Spaß daran, sich selbst etwas zu gönnen. Wenn sie Lust hatte, in
den Supermarkt zu gehen, dann rief sie sich ein Taxi, das war ja wohl klar, und
sie kaufte genau das, was sie haben wollte, ob es nun im Sonderangebot war oder
nicht. Zum Beispiel diese teuren Packungen mit hausgemachter Suppe. Sie dachte
gar nicht daran, in einem Minibus zu sitzen und zu warten, bis sich all die
alten Herrschaften mit erneuerten Hüftgelenken wieder eingefunden hatten,
Preise von Konservendosen verglichen und abgepackte Brotlaibe schwangen, die
kurz vor dem Verfallsdatum waren.
    Tatsächlich verhielt es sich so, hätte sie gern
gesagt, und zwar nur um der Reaktionen willen, daß sie ihre Mahlzeiten ohnehin
nicht oft zu Hause einnahm. Ziemlich viele Restaurants in der Stadt boten ein
preisgünstiges Mittagsmenü an, und sie hatte festgestellt, daß sie gern allein
aß. Es gefiel ihr gut, von einem netten Kellner bedient zu werden und den
ganzen Abwasch einfach stehenzulassen. Als sie das zum ersten Mal getan hatte,
war sie sich reichlich verwegen vorgekommen. Für den Fall, daß jemand, der sie
kannte, draußen vorbeikam, hatte sie einen Tisch ganz hinten im Restaurant
gewählt. Inzwischen setzte sie sich an einen Fensterplatz und legte es geradezu
darauf an, daß Bethany oder ihresgleichen vorbeikamen und sie dort sitzen
sahen.
    »Ich brauche heute wirklich nichts«, sagte
Shirley mit fester Stimme. »Trotzdem vielen Dank.« Dann schloß sie behutsam die
Tür und ließ das Mädchen mit verblüffter Miene draußen stehen.
    Tapp, tapp, tapp. Ein oder zwei Sekunden später
setzte Bethany unbeirrt ihre Mission fort.
    »Wir bringen Sie alle zum Supermarkt!«
    »Was?« Mrs. Bottomley war schwerhörig und wollte
ihr Hörgerät einfach nicht tragen.
    »Zum SUPERMARKT...«
    Was hatte sie eigentlich mit Menschen wie Mrs.
Bottomley zu tun? fragte sich Shirley. Mrs. Bottomley war schon eine alte Frau
gewesen, als sie sie kennengelernt hatte. Sie war eine Freundin ihrer Eltern
gewesen, hatte einer anderen Generation angehört. Genau das war das ärgerliche
am Alter. Mit zwanzig scheint vierzig so viel älter zu sein, daß man ganz
andere Maßstäbe anlegt, aber mit siebzig ist neunzig nichts weiter als ein
anderes Stadium des hohen Alters.
    Das war deprimierend, wenn man darüber
nachdachte, und man hatte zuviel Zeit, um darüber nachzudenken. Es war ein
wunderschöner Tag. Sonnig, mit einer lauen Brise. Als sie auf ihren Balkon
trat, konnte sie das Meer hören, was hieß, daß die See stürmisch war. Sie
beschloß, einen Spaziergang an der Strandpromenade zu unternehmen.
     
    Vor sich sah sie ein Mädchen mit einer
dreiviertellangen türkisfarbenen Radlerhose und einem grellen apfelgrünen
bauchfreien T-Shirt stehen. Sie wartete im Eiscafé mit einer Freundin, die
einen langen, unförmigen indischen Rock und klobige schwarze Stiefel trug. Es
heißt, daß jede Mode wiederkehrt, aber Shirley hatte den Eindruck, in den
Neunzigern wirkte alles angemessen, solange man es mit dem nötigen
Selbstvertrauen trug.
    Stella hatte dreiviertellange Hosen getragen,
weiße Hosen, und dazu einen knappen schwarzen Pullover, der sich über ihrem
Playtex-BH mit den gekreuzten Trägern spannte. So gehst du mir nicht aus dem
Haus, hatte Dad gebrüllt, aber Stella hatte ihm keinerlei Beachtung geschenkt,
war durch den Laden auf die Straße geschlendert und hatte die Tür so

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