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Es grünt so grün

Es grünt so grün

Titel: Es grünt so grün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ward Moore
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erzürnt gegen die Decke klopfte. Ich ging ins Bad und wusch mir die Hände. Ich kam zurück und prüfte meine Zähne im Spiegel. Dann setzte ich mich wieder hin und schrieb: „Das Gras …“ Nach einigen Sekunden strich ich das durch und begann erneut: „Heute hat das Gras …“
    Ich entschied, daß der ganze Ansatz phantasielos und meiner unwürdig war. Ich drehte das Blatt Papier um und begann: „Wie ein entspringender Drache …“ Gut, gut – das war ein richtiger Anfang; er würde dem Leser sofort klarmachen, daß er es mit einem phantasievollen Mann zu tun hatte. „Wie ein entspringender Drache.“ Von was entspringend? Von was entsprangen Drachen überhaupt? Eier, wie Schlangen? Drachen waren Reptile, oder? Oder etwa nicht? Sollte ich den Vergleich fallenlassen? Ich setzte einen entschlossenen Gesichtsausdruck auf und begann noch einmal: „Ähnlich einem wilden, kriegerischen Drachen oder einem tobenden, ungebärdigen und rasenden, schimärenhaften Geschöpf brennt sich ein bedrohliches Verhängnis in das Herz unserer schönen, stetig anwachsenden Stadt. Als einer, der an der Freisetzung dieser abscheulichen Bedrohung einen unwissenden, aber dennoch wesentlichen Anteil hat, möchte ich beschreiben, wie die Erscheinung dieser Bedrohung mich anrührte, als ich heute ihr bedrohliches und feindseliges Vorrücken sah …“
    Ich lehnte mich, mit meinem Anfang nicht unzufrieden, zurück und dachte an das saubere kleine Junggesellenapartment, das ich mir von dem Geld mieten konnte, welches der Intelligencer mir zahlte. Natürlich wäre der ganze Tumult in wenigen Tagen vorüber – denn obwohl ich in die Wirksamkeit des Rohöls wenig Vertrauen hatte, wußte ich, daß schon bald wirklich drastische Methoden ergriffen würden und die ganze Geschichte beendet würde –, aber selbst in so kurzer Zeit würde Mr. Le ffaçasé zweifellos feststellen, daß er mich dauernd in seiner Belegschaft brauchte, und das würde mir ein Leben in einer mir gemäßen Umgebung sichern. Auf diese Weise durch die Gedanken an Erfüllung angefeuert, kehrte ich zu meiner Aufgabe zurück, aber ich kann nicht sagen, daß sie mir leicht von der Hand ging. Mir fiel ein, daß viele große Schreiber während der schmerzhaften Wehen bei der Entstehung ihres Werks zu Aufputschmitteln griffen, aber ich entschied, daß ein solches Vorgehen meine Geistesschärfe abstumpfen könnte, und schließlich gab es keine bessere Stimulanz als simple, altmodische Ausdauer. Ich nahm den Stift wieder in die Hand und machte mich hartnäckig an den nächsten Satz.
16.

    „Was zum Teufel ist das?“ fragte der leitende Lokalredakteur mit einem Blick auf mein ordentlich zusammengerolltes Manuskriptbündel.
    Ich verschmähte es, mit einem subalternen Redakteur zu diskutieren, der zu bequem war, sich der Mühe zu unterziehen, an den besten Artikel, der ihm vermutlich jemals gebracht worden war, heranzukommen, also entrollte ich meine Story und strich sie glatt, damit er sie leichter lesen konnte.
    „Bei Benjamin Franklins Eiern und den Stoppeln auf Horace Greeleys Kinn, das gottverdammte Ding ist ja mit der Hand geschrieben! Gibt es keine Schreibmaschinen mehr? Hat Mister Remington Selbstmord begangen, ohne daß ich davon gehört habe?“
    „Pardon“, sagte ich steif. „Ich dachte nicht, daß Sie Schwierigkeiten hätten, meine Handschrift zu lesen.“ Die ganze Sache war tatsächlich absurd, denn wenn es etwas gibt, dessen ich mich rühme, dann ist es meine gestochene, gut lesbare Handschrift. Schreibmaschinen mochten meinetwegen für die kurzlebigen Nachrichtenteile vorgeschrieben sein, aber ich war als Sonderkorrespondent eingestellt, und eines Tages würde mein Manuskript ein kostbares Gut sein.
    Der Lokalredakteur beäugte mich auf äußerst unangenehme Art. „Ich bin ein gebildeter Mann“, stellte er fest. „Groton, Harvard und Presseinstitut. Ohne Zweifel könnte ich mit der genügenden Zeit und Sorgfalt diesen Beitrag für den Pulitzer-Wettbewerb entziffern. Aber ich muß auch an die weniger bevorzugten Mitglieder der Belegschaft denken: Setzer, Metteure und Korrektoren; da sie nicht die gleiche Bildung und Aufgeschlossenheit wie ich besitzen, könnte sie diese Neuerung so sehr verwirren, daß sie ihre Nützlichkeit für die Zeitung auf Dauer verlieren. Nein – ich fürchte, Mr. Weener, ich muß Sie bitten, den Artikel in eine orthodoxere Form zu bringen und ihn zu tippen.“
    Schon wieder ein Beispiel kleinkarierter Bürokratie, der Übereifer

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