Es grünt so grün
Juden, die seit weniger als drei Generationen im Land waren, wurden nach Palästina verschifft und die anderen ihrer politischen Rechte beraubt, um sie ebenfalls zum Verlassen des Landes zu bewegen. Die Schwarzen, die politische Rechte oder Bürgerrechte nie länger als zehn aufeinanderfolgende Jahre besessen hatten, planten eine Massenauswanderung nach Afrika, ein Vorhaben, das von Staatsmännern wie dem gebildeten Maybank oder dem abwägenden Rankin enthusiastisch gefördert wurde. Doch dieses Unternehmen schlug fehl, als Statistiker nachwiesen, daß es in der farbigen Bevölkerung nicht genug flüssige Mittel gab, um ihren Transport zu finanzieren.
Auch ein Versuch, alle Katholiken hinauszuwerfen, mißlang aus dem ziemlich verblüffenden Grund, daß viele der kleineren protestantischen Sekten sich diesem Plan einmütig widersetzten. Die Heiligen der letzten Tage – die jetzt eifrig damit beschäftigt waren, Neuwüsten in Zentralaustralien aufzubauen –, die Christliche Wissenschaftskirche, die Episkopalisten, Shaker, Christadelphianer und die Kongregation von der Kapelle der frühen und späten Regen stellten eine vereinte Front für Toleranz und Gerechtigkeit dar.
Ein überraschendes Nebenprodukt der nationalen Verzweiflung und Hektik war die fieberhafte Aktivität in allen Bereichen kreativen Schaffens. Romane ergossen sich aus den Druckpressen, Gedichtbände wurden auf den Listen der Verleger bemerkenswerte Posten, und diejenigen Texte, die keinen Verleger fanden, wurden vervielfältigt und mühselig an die empfängliche Öffentlichkeit verteilt; Maler arbeiteten mit dem Enthusiasmus einer Renaissance und schufen gigantische Bilder so schnell, wie ihre Pinsel die Ölfarben auftragen konnten. Plötzlich waren wir eine Nation geworden, die sich inbrünstig den Künsten hingab. Als Orpheus Crisoddes Teufelsgras-Sinfonie zum erstenmal in der Carnegie Hall aufgeführt wurde, mußte eine Zuhörerschaft, die die zugelassene Zahl um das Dreifache überstieg, draußen mit Lautsprechern besänftigt werden, und als das eindrucksvolle Crescendo aus Hörnern, Trommeln und auf Schieferscheiben geriebenen Tonscherben den Höhepunkt des sechsten Satzes ankündigte, weinten die Massen. Selbst bei Mozart war die Halle voll, oder doch beinahe voll.
In der Unterhaltungskunst war die Inspiration durch das Gras offenkundiger. Auf den Comicseiten der Zeitungen trieb Superman das Gras Tag für Tag zurück, und groß war das Bedauern, daß seine Aktivitäten auf die Vierfarbseiten beschränkt blieben; Terry Lee und Flash Gordon, stets ermuntert durch die prägnanten Umrisse von weiblichen Brüsten, retteten ebenfalls das Land. Sogar Lil Abner und Snuffy Smith fochten gegen die Pflanzen, während kein anderer als Jiggs absolut unzugänglich blieb. Der Blues vom grünen Gras war aus jedem Radio und von jedem Plattenspieler eines Halbwüchsigen zu hören, bis er schließlich von Bubaloopa Samenkraut, das Schuschu leicht vom Hocker haut noch übertroffen wurde.
Vielleicht war die bemerkenswerteste Erscheinung dieser Zeit die Beschäftigung mit der Beständigkeit. Die Bruchbuden-Bauweise, architektonische Mode, seit die erste falsche Fassade vor dem ersten Kleinstadtladen hochgezogen wurde, verschwand praktisch völlig. Die Wolkenkratzer waren jetzt kein Stahlskelette mehr, an denen dünne Steinverkleidungen wie eine Flatterschürze hingen, während die Praxis, Lehm auf hastig über Pappe gelegten Maschendraht zu schmieren, ganz eingestellt wurde. Jeder wollte für alle Zeiten bauen, auch wenn das Gras sich der Frucht dieser Bemühungen schon in der nächsten Woche bemächtigen konnte. In New York wurde die Kathedrale St. John the Divine endlich vollendet und eine neue, St. George geweiht, in Angriff genommen. Die Nachfrage nach dauerhaftem Holz ließ den Markt für Fichte verschwinden, und die Menschen planten Häuser, um auch noch ihren Enkeln ein Quartier zu geben, und nicht, um zahlungskräftige Käufer anzulocken, bevor das Mauerwerk rissig wurde.
Natürlich wurden weitsichtige Menschen wie Stuart Thario und ich von diesem plötzlichen Drang, die überschäumende Seite des Lebens herauszukehren, nicht erfaßt, obwohl wir vor der Kultur alle Hochachtung hatten. Wir standen aber noch mit beiden Beinen auf der Erde, und obschon wir wußten, daß Sinfonien, Romane und Kathedralen ihren Platz haben, war es doch wichtig, die Fundamente nicht aus dem Blick zu verlieren; während wir den Wunsch nach Beständigkeit im Grundsatz
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