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Es grünt so grün

Es grünt so grün

Titel: Es grünt so grün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ward Moore
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dazu gebracht hatte, diese Verrückte aufzusuchen, um ihr einen Gefallen zu erweisen. Ich konnte meinen gutmütigen Charakter nicht bedauern, beschloß aber innerlich, in Zukunft umsichtiger zu sein. Außerdem war der Einfall, Miss Francis für die Arbeit einzusetzen, schiere Sentimentalität gewesen, die irrige Art von Gedankengang, die aus jeder Mutter eine Geburtshelferin und aus jeder Henne einen Oologen macht.
    Als ich durch die schläfrigen Straßen schlenderte, um die Zeit totzuschlagen, bis sich der Fahrer des lächerlichen „Busses“ entschloß, seine Maultiere wieder zum Flughafen zu lenken, überraschte mich der Mangel an Anspannung, Besorgnis und Angst, die in New York so offen zutage traten. Offensichtlich litt der schwarze Süden kaum unter dieser ständigen Furcht; ich schrieb das ihrer kindlichen Gedankenlosigkeit zu.
    Während ich so sinnierend mit gesenktem Kopf daherging, blickte ich plötzlich auf – direkt in das Gesicht der eigentümlichen Dame, die ich von Los Angeles nach Yuma gefahren hatte.
    Ich bin sicher, daß ich den Mund öffnete, aber kein Laut kam heraus. Sie hastete eilig vorbei und schenkte weder mir noch ihrer Umgebung irgendeine Beachtung. Ich glaube, ich streckte die Hand aus oder machte eine Reflexbewegung, um sie anzuhalten, aber entweder bemerkte sie es nicht oder mißverstand es. Als ich mich schließlich wieder gefaßt hatte und ihr folgte, war sie verschwunden.
    Während ich auf den Bus wartete, fragte ich mich, ob ich das Opfer einer Halluzination geworden war …
     
     
     
     
    59.
     
    Trotz Miss Francis’ Blindheit für ihre eigenen Interessen hatte ich immer noch einen vielversprechenden Expeditionsleiter für das Einsammeln und Verfrachten des Grases: George Thario. Wenn ihn seine Besessenheit nicht nach Mississippi oder Louisiana geschickt hatte, erwartete ich, ihn in Indianapolis zu finden.
    Die kurze Reise nach Westen war langweilig und unbequem, nicht anders als die vorherige nach Süden. An ihrem Ende erwartete uns kein geschwätziger Chef-Abfertiger, denn der Flughafen war total verlassen, und ich war dankbar für ein Treibstofflager, das uns den Rückflug ermöglichte.
    Ich hatte keine Probleme, Joe in einem riesigen, hohen, möblierten Zimmer in einem der häßlichsten, grauen, verwitterten Häuser ausfindig zu machen; dieses Gebäude war selbst in einer Stadt, die für ihre Architektur nie berühmt war, etwas Besonderes. Das erste, was mich beeindruckte, war die Wärme des Zimmers. Zum erstenmal seit unserer Landung zitterte ich nicht. Ein Holzfeuer brannte in einem offenen Kamin, und eine Kerosinheizung stank penetrant aus der gegenüberliegenden Ecke. Vor den schmalen Fenstern stand ein Flügel, und darauf waren Stapel von an den Rändern gewelltem Papier verteilt.
    Er begrüßte mich mit so etwas wie Herzlichkeit. „Der Tycoon in Person! Arbeiter der Welt – nehmt eure Ketten wieder auf. A. W., es ist eine Freude, Sie zu sehen. Und Sie sehen ja so milde, so normal und gesetzt aus, und das in einer Zeit, wo jeder sich vor Angst und Sorgen zerreißt. Wie machen Sie das nur?“
    „Ich schaue auf die angenehme Seite der Dinge, Joe“, antwortete ich. „Sorgen haben noch nie jemanden weitergebracht – und es sind weniger Muskeln zum Lächeln als zum Stirnrunzeln nötig.“
    „Hörst du das, Florence?“
    Ich hatte sie nicht bemerkt, als ich eintrat, das Original von jenem Schnappschuß, Socken stopfend, still in einer Ecke sitzend. Ich muß sagen, das Foto hat ihr Unrecht getan; zwar sah sie ohne Frage gewöhnlich und liederlich aus mit den schweren Brüsten, den rauhen roten Wangen und dem offensichtlich gefärbten Haar, aber sie strahlte Lebenskraft, Freundlichkeit und Sympathie aus. Beiläufig nahm sie meine Anwesenheit mit einem Lächeln zur Kenntnis.
    „Hörst du das? Erinnere mich beim nächsten Mal, wenn ich Probleme mit einer Transposition oder einer Solopassage habe, daran, daß man weniger Muskeln zum Lächeln als zum Stirnrunzeln braucht. Denn schließlich habe ich zu arbeiten, A. W.; die Zeit des Vagabundierens und der Verlockungen für meine Seele ist vorüber, meine Seele hat auf mein Locken reagiert. Erinnern Sie sich an Crisodds Teufelsgras-Sinfonie? Ein entsetzliches Mißverständnis, eine persönliche Beleidigung für jeden, der das Gras mit eigenen Augen gesehen hat; ein fader, unbeabsichtigter Witz; schlechter Schönberg – falls das keine Tautologie ist –, verbunden mit schwachen Erinnerungen an den allervulgärsten Wagner

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