Es grünt so grün
– falls das nicht schon wieder eine Tautologie ist –, und dann aufgeknüpft auf Mighty Like a Rose und Alexander’s Ragtime Band. Aber warum erzähle ich Ihnen das, A. W., Ihnen, der Sie vom Bazillus der Kultur verschont sind? Welches Interesse haben Sie schon an Crisodds Sinfonie, an meiner Sinfonie oder sont jemandes Sinfonie außer der Vielstimmigkeit der Profite?“
„Ich hoffe, niemand hält mich für engstirnig, Joe“, tadelte ich ihn. „Ich wage sogar zu behaupten, ich interessiere mich für die Kunst ebensosehr wie jeder andere. Ich habe selbst ein wenig geschrieben, und Literatur …“
„Aber ja. Ich wollte Ihre Gefühle nicht verletzen.“
„Das haben Sie nicht. Jedenfalls halte ich Musik an ihrem Platz für eine feine Sache, aber eigentlich bin ich wegen eines anderen Themas gekommen!“
„Wenn Sie vorhaben, Joe mit nach Europa zu nehmen, haben Sie kein Glück, Mr. Weener“, schaltete Florence sich sanft ein. „Er ist mit dem ersten Satz fast fertig und wird von dem Gras nicht wegziehen, bis er die Sinfonie vollendet hat.“
„Sie haben mich mißverstanden, Mrs. Thario. Ich will Ihrem Gatten einen Vorschlag machen, der ihn nicht vom Gras wegholt, sondern ihn sogar näher heranbringt.“
„Unmöglich“, rief Joe aus. „Ich bin das Gras, und das Gras ist ich; in mystischer Vereinigung sind wir eine Ganzheit geworden. Ich spreche mit seiner Stimme, und in den großen Kadenzen, die aus seinem Herzen stammen, können Sie Tharios Erste hören, hunderttausendfach verwandelt und vergrößert.“
Ich bedauerte festzustellen, daß seine Sprache, im Gegensatz zu seinen Briefen stets einfach und geradlinig, eine verderbliche Pompösität angenommen hatte. Bei näherer Betrachtung sah ich, daß er Gewicht verloren hatte. Seine Haut war eingesunken, und seine Wangen und sein Kiefer stachen hervor. Sein Haar war leicht angegraut, seine Finger spielten nervös mit dem rupfigen Kinnbart. Er sah kaum wie ein Mann aus, der sich ernsthafter Arbeit entzogen hatte, um – die ganze Zeit mit einem beträchtlichen Zuschuß von seinem Vater unterstützt – einer dummen Besessenheit nachzugeben.
Ich skizzierte ihnen meinen Plan, Proben des Unkrauts einzusammeln. Florence stocherte mit der Stopfnadel in ihren Zähnen und musterte kritisch ein Paar Socken. Joe ging zum Flügel hinüber und schlug ein paar mißtönende Noten an.
„Ich habe gehört, einige Gruppen unternehmen Expeditionen in das Gras“, sagte ich.
„Eine Menge“, bestätigte Joe. „Es gibt da eine Gruppe, die von Bruder Paul mit einem sehr rätselhaften Auftrag entsandt worden ist. Man nennt es die Weihe des Herolds. Gott weiß, wieviel Tausender er mit seinen Gimpeln rausgekitzelt hat, denn sie sind mit den neuesten Geräten für eine Polarexpedition ausgerüstet, Skibretter und Hundeschlitten, Funkgeräte und unsagbare Mengen von Ihrem besten Pemmikan. Sie sind aufgebrochen, sobald der Schnee dicht genug war, ihr Gewicht zu tragen, und wenn wir eine verfrühte Tauzeit haben, werden sie wie die Russen enden.
Dann ist da diese Regierungstruppe, nachdem die Katastrophenkommission endlich, wenn auch zögernd, einen Ge danken hervorgebracht hat, aber um was es sich dabei genau handelt, hat man den Bürgern nicht anvertraut. Und auch kleinere Gruppen: Wissenschaftler und Beinahe-Wissenschaftler, Schwärmer, die irgendwie zu der Meinung gekommen sind, Tiere oder vertriebenes Wild streiften durch den Schnee über das Gras – wie sie dort hingekommen sind, wird nicht genau erklärt –, und jetzt wollen sie fotografieren, jagen oder Fallen aufstellen; und auch ganz normale Leute, die die Tour einfach so machen. Wir wären selbst gegangen, wenn ich nicht mit der Sinfonie beschäftigt wäre.“
„Ihre Sinfonie befaßt sich mit dem Gras?“ fragte ich höflich.
„Sie befaßt sich mit der Kombination von Tönen.“ Er blickte mich scharf an und schlug noch schrillere Dissonanzen. „Mit dem Leben, wenn Sie es wie in einer Programmansage ausdrücken wollen.“
„Wenn Sie diese Expedition unternehmen, haben Sie die Gelegenheit, neuen Stoff zu sammeln“, betonte ich.
„Wenn ich aus dem Fenster gucke, meinen Nabel konsultiere, auf dem Klosett meditiere oder mir in den Finger schneide, bekomme ich neuen Stoff unter viel weniger Mühen. Das letzte, was ein Komponist, ein Schriftsteller oder ein Maler benötigt, ist Stoff; die Stoffülle läßt ihn ja erst zu dem besessenen Geschöpf werden, das er ist. Ihm mag es an Muße, Energie,
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